Ereignis vom 1. Januar 1699

Friede von Karlowitz

Zeitgenössische Darstellung der Friedensverhandlungen in Karlowitz

Der Friede von Karlowitz am Ende des so überaus kriegerischen 17. Jahrhunderts brachte keinen endgültigen Frieden, doch bedeutete er einen wichtigen Einschnitt auf einem der Kriegsschauplätze in Europa. Es wäre eine unzulässige Verkürzung der historischen Gegebenheiten, würde man bei der Würdigung des Friedens von Karlowitz den Blick allein auf Südosteuropa beschränken; nicht zufällig liegt in unmittelbarer zeitlicher Nähe der Friede von Rijswijk (1697), der für Westeuropa eine Wende im Sinne eines Gleichgewichts der Mächte einleitete. Die Ereignisse im Westen hatten unmittelbare Auswirkungen auch im Osten; die Hauptakteure auf der politischen Bühne eines gesamteuropäischen Kräftemessens waren Kaiser Leopold I. (1640-1705) und der französische König Ludwig XIV. (1638-1714). Die Entwicklungen im Osten gewannen ihr besonderes Gewicht für den Kaiser durch ihre Ver-knüpfung mit den militärischen Auseinandersetzungen an der Westgrenze des Reiches.

Nach einer längeren Periode eines durch Tributzahlungen aufrechterhaltenen Friedenszustandes brachen 1663 die Kämpfe zwischen Habsburg und den Türken, ausgelöst durch die politischen und militärischen Entwicklungen in Siebenbürgen, wie-der aus. Den überwältigenden Sieg über das türkische Heer in der Schlacht bei Mogersdorf (1664) – der erste Sieg über die Türken zu Lande – vermochte die kaiserliche Diplomatie auf-grund einer fatalen Fehleinschätzung der osmanischen Macht nicht zu nutzen. Im Gegenteil verursachten die enormen Zugeständnisse eine ernsthafte Krise der habsburgisch-ungarischen Beziehungen, die in einer Verschwörung der ungarischen Großen und im sog. Kuruzzenaufstand ihre Höhepunkte fand. Während die Position des Kaisers in Ungarn dadurch erheblich geschwächt wurde, hatten die Türken nicht nur wichtige Zeit zur Regeneration gewonnen, sondern willkommene Gelegenheiten bekommen, ihre Positionen in Ungarn auszubauen. Doch der erneute türkische Vorstoß gegen Wien (1683) scheiterte. Nach der vernichtenden Niederlage der Türken in der Schlacht vom Kahlenberg setzte das Entsatzheer unter Führung des Herzogs Karl V. von Lothringen zur erfolgreichen Gegenoffensive in Ungarn an, doch gelang es den kaiserlichen Heerführern im Türkenkrieg trotz bemerkenswerter Erfolge nicht, eine endgültige Entscheidung herbeizuführen. Nach der Schlacht von Slankamen 1691 (s. OGT 1991, S. 256–260) kam es nicht nur zum Stillstand an der Ostfront sondern auch zu einer bedrohlichen Verschlechterung der Situation der kaiserlichen Truppen. Der militärische Rückschritt im Osten war – neben Rivalitäten in der Heeresführung und den Schwächen militärischer und staatlicher Organisation – vor allem eine Folge der gesamteuropäischen Konstellation, die Kaiser Leopold in einen Zweifrontenkrieg gegen Türken und Aufständische im Osten und die Reunionspolitik und den Hegemonialanspruch des Sonnenkönigs im Westen zwang, wo auf Kriegsschauplätzen in Italien, am Rhein und in den Niederlanden die befähigsten Feldherren und die Hauptmacht seiner Armada gebunden waren.

Ein Wandel der Lage im Osten ergab sich erst im Jahre 1697, als dem jungen Prinzen Eugen von Savoyen, seit 1683 in kaiserlichen Diensten, dank der überraschenden Wahl des wenig erfolgreichen bisherigen Befehlshabers August des Starken zum König von Polen, der Oberbefehl über die kaiserliche Armee in Ungarn übertragen wurde. Aufgrund seines Organisationstalents und des Vertrauens, das er unter Offizieren und Mannschaften genoss, gelang es dem Prinzen, in kürzester Zeit aus einer weitgehend demoralisierten, schlecht ausgerüsteten und in keiner Weise auf einen Feldzug vorbereiteten Truppe wieder eine disziplinierte und schlagkräftige Armee in Ungarn aufzubauen. Im Grunde war Prinz Eugen durch die kaiserliche Instruktion – wegen der fortgeschrittenen Zeit und des Mangels an Mitteln – auf eine Defensivstrategie festgelegt, doch wurde er durch die Operationen des Sultans, die Oberungarn bedrohten, zum Handeln gezwungen. In der Schlacht bei Zenta an der Theiß am 11. September 1697 (s. OGT 1997, S. 287–293), die Gunst der Stunde nutzend – er überraschte die Türken beim Übergang über den Fluss –, errang er den entscheidenden Sieg über die Türken. Beide Seiten zeigten sich friedensbereit, zumal auch der Kaiser gleichzeitig in Polen und Venedig vor großen Problemen stand und die Auseinandersetzungen um das spanische Erbe zu eskalieren drohten; auch waren die Ressourcen beider Länder erschöpft. So führten die nach dem Waffenstillstand im Oktober 1698 aufgenommenen Verhandlungen, die bei dem am rechten Donauufer in Syrmien südöstlich der Festung Peterwardein gelegenen Dorfe Karlowitz zwischen Habsburgern und Osmanen geführt wurden, am 26. Januar 1699 zu einem Friedensschluss.

Auf die Verhandlungen des Friedenskongresses hat Prinz Eugen trotz des von ihm eingereichten Gutachtens zu den Friedensbedingungen offenbar keinen Einfluss nehmen können. Zum Verhandlungsführer hatte Leopold den Präsidenten des Reichshofrates, den 70jährigen Wolfgang Graf Öttingen, bestellt; ihm zur Seite standen der Obristwachtmeister Graf Leopold Schlick, Graf Marsigli und als Sekretär der Hofkriegsrat Thiel. Die Hohe Pforte hatte Mehmed Rami Efendi und Alexander Mavrocordato entsandt. Daneben waren die Verbündeten Polen, Russland und Venedig vertreten sowie Abgesandte der Seemächte England und Holland, die bereits den Waffenstillstand vermittelt hatten. Für die Verhandlungen war auf freiem Feld ein einfaches Gebäude errichtet worden. An den zentralen  Friedensverhandlungen in Karlowitz: Theatre de la paix entre les chreti-ens et les turcs. Anonymer Kupferstich, Den Haag 1699.

Konferenzsaal schlossen sich Räume für den türkischen Unterhändler, den kaiserlichen Beauftragten und die Vertreter der vermittelnden Mächte an. Um die Masse der Abgesandten, der Versorgungs- und Wachmannschaften unterzubringen, war ein ganzes Zeltlager errichtet worden. Einen Eindruck dieser äußeren Bedingungen der Friedensverhandlungen vermittelt ein anonymer Stich unter dem Titel “Theatre de la paix entre des chrestiens et les turcs”, wie er in den Sammlungen der Albertina in Wien verwahrt wird.

Der Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und dem Sultan war auf 25 Jahre befristet. Am heftigsten wurde um den Besitz Siebenbürgens und des Banats gestritten, doch letztlich mussten die Türken im wesentlichen alle von den kaiserlichen Truppen kontrollierten Gebiete an die Habsburger abtreten: ganz Ungarn, Siebenbürgen, den größten Teil Slawoniens. Die wichtigen Festungen Belgrad und Temesvár mit dem Banat blieben jedoch noch türkisch. Für die Ausbreitung des österreichischen Absolutismus in Südosteuropa bedeutete der Frieden von Karlowitz den entscheidenden Durchbruch, doch erzeugte die (nach den Rückeroberungen regelmäßig einsetzende) rigorose Konfession- und Steuerpolitik der Habsburger auch Kritik und Auf-ruhr. Der Frieden von Karlowitz hielt nur wenige Jahre, der Integrationsprozeß in Ungarn wurde so unterbrochen. Erst nach der Einnahme der Festung Belgrad durch Prinz Eugen konnte im Frieden von Passarowitz 1718 (s. OGT 1968, S. 67) auch auf-grund zusätzlicher territorialer Gewinne Ungarn fester in die Gesamtmonarchie eingebunden werden. Mit der nun einsetzenden Binnenkolonisation vornehmlich durch deutsche Kolo-nisten (sog. Schwabenzüge) wurde auch ein neues Kapitel deutscher Geschichte in Südosteuropa eingeläutet. Insgesamt gebührt dem Frieden von Karlowitz Beachtung, weil er nicht nur das Ende der Türkengefahr für Mitteleuropa brachte, sondern auch die entscheidenden Weichenstellungen für den Aufstieg Österreichs zur Großmacht einleitete und die Voraussetzungen zur Einbindung des Osmanischen Reiches in das Konzert der europäischen Mächte schuf.

Lit.: Die Feldzüge des Prinzen Eugen, hrsg. von der Abteilung für Kriegsgeschichte des k.u.k. Kriegsarchivs, 21 Bände, Wien 1876–1892. – O. Klopp: Das Jahr 1683 und der folgende große Türkenkrieg bis zum Frieden von Carlowitz 1699, Wien 1882. – Max Braubach: Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie. Bd. I: Aufstieg, München 1963. – Ekkehard Eickhoff: Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645-1700, München 1970 (2. Aufl. 1988). – Gottfried Mraz: Prinz Eugen. Ein Leben in Bildern und Dokumenten. München 1985. – Heinz Duchhardt: Krieg und Frieden im Zeitalter Ludwigs XIV., Düsseldorf 1987. – Günter Schödl (Hrsg.): Land an der Donau (Deutsche Geschichte im Osten Europas), Berlin 1995.

Bild: Zeitgenössische Darstellung der Friedensverhandlungen in Karlowitz / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Udo Wennemuth