In mehrfacher Hinsicht wurde mit dem Frieden von Krakau ein Epochendatum in Ostmitteleuropa gesetzt: staats- und verfassungsrechtlich, territorial- und konfessionsgeschichtlich.
Der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Hochmeister des Deutschen Ordens (seit 1511) verweigerte, darin seinem Vorgänger Friedrich von Sachsen folgend, dem polnischen König Sigismund I. (Zygmunt I.), seinem Onkel mütterlicherseits, die nach den Bestimmungen des Zweiten Thorner Friedens (vgl. OGT 1991, S. 243-246) vorgesehene Huldigung. Er baute aber nicht nur auf Diplomatie. 1519 begann er zum Zwecke der Rückgewinnung des seit 1466 unter der polnischen Krone stehenden westlichen Preußen Krieg gegen Polen und eroberte im Handstreich das ermländische Braunsberg. Zu-nächst schienen die auf eine Revision des Zweiten Friedens von Thorn abzielenden kriegerischen Handlungen Aussicht auf Erfolg zu haben, da dem recht wirkungsvollen preußischen Landesaufgebot ein Söldnerheer aus dem Reich zu Hilfe kommen sollte und der Deutschmeister die beeindruckende Summe von 80.000 Gulden zur Verfügung stellte. 1521 waren beide Seiten erschöpft, aber auch die politische Entwicklung auf höchster Ebene, nämlich zwischen dem neuen Herrn des Reiches, Karl V., und König Sigismund I., war über die preußischen Angelegenheiten hinweggegangen, und so schlossen am 7. April 1521 Vertreter des Hochmeisters und der Krone Polen einen vierjährigen Waffenstillstand. Albrecht zog sich darauf-hin in seine Heimat, vergleichbar mit Friedrich, zurück, um Unterstützung und Hilfe im Reich zu finden. Er residierte meist in Nürnberg, wo er vermutlich erstmals mit Anhängern des Reformators Martin Luther in Kontakt geriet. Da der Orden sehr geschwächt war, der Hochmeister in der folgenden Zeit keine militärische Unterstützung aus dem Reich erwarten konnte, der polnische Reichstag an seiner Forderung der Belehnung festhielt und der polnische König mit einer Wiederaufnahme des Krieges nach dem Auslaufen des Waffenstillstands drohte, war Albrecht zu Verhandlungen bereit.
Neben den territorialpolitischen Belangen gingen konfessions-politische Aktivitäten einher.
Albrecht von Brandenburg traf nämlich persönlich mit Luther zusammen und nahm die von diesem entsandten Prediger im Ordensland auf, damit sie dort die Reformation vorantrieben. Die wohl auf Veranlassung des Hochmeisters entstandene lutherische Schrift „An die Herren Deutschen Ordens“ zielte auf eine Säkularisation des Ordens und auf Abschaffung der Gelübde – damit auch auf die Aufgabe der Keuschheit zugunsten der Ehe. Der Hochmeister plante, die religiösen Auseinandersetzungen um die rechte Lehre und die Kirchenverfassung zu nutzen, um seine Rechte als Landesherr zu festigen und gegen kaiserliche Befehle durchzusetzen.
Der Auflösung des Ordens in Preußen auf politischer Ebene waren bereits Entwicklungen hin zur Umwandlung des Ordens-staates in ein weltliches Fürstentum vorangegangen. Nach schwierigen Verhandlungen mit dem Königreich Polen, die von Albrechts Bruder Markgraf Georg und seinem Schwager Her-zog Friedrich II. von Liegnitz mit dem polnischen Kanzler Szydłowiecki in Krakau geführt wurden, kam es – eine Woche vor Ablauf des vierjährigen Waffenstillstands zu Ostern 1525 – am 8. April zu der vertraglichen Vereinbarung, dass Albrecht und seine Brüder mit dem neuen weltlichen Herzogtum in den Grenzen, die 1466 für den Ordensstaat festgelegt worden waren, belehnt werden und auf alle Rechte bei Kaiser und Reich verzichten sollten. Das neue Herzogtum kam also als Lehen der Krone Polen in den Besitz eines hohenzollerischen Dynasten. Für den Fall, dass die belehnte jüngere Hohenzollernlinie ausstarb, war der Heimfall des Lehens an den polnischen König vorgesehen, der dann einen im Land lebenden und der deutschen Sprache mächtigen Statthalter einsetzen sollte. König Zygmunt I. ratifizierte den Friedensvertrag von Krakau am 9. April 1525, die preußischen Bevollmächtigten erklärten ihrerseits auch am selben Tag Zustimmung. Kaiser und Papst erkannten den Vertrag hingegen nicht an.
Der feierliche Belehnungsakt fand am 10. April 1525 in Anwesenheit der Unterhändler auf dem Krakauer Marktplatz unter großem zeremoniellem Aufwand statt. Albrecht von Branden-burg schwor den Lehnseid und wurde von König Zygmunt I. feierlich belehnt. Die Belehnungsurkunde nennt Albrecht zu-nächst mit seinem ererbten Fürstentitel, dann als Hochmeister, bezeichnet ihn ferner aber übergangslos als Herzog. Die Öffentlichkeit wurde von den zuvor sorgfältig diskret gehaltenen diplomatischen Schritten und politischen Vorgängen, die Boockmann als Rechtsbruch und Staatsstreich bezeichnet, überrascht.
Am 29. Mai 1525 ratifizierte Albrecht von Brandenburg den Frieden vom 8. April und beurkundete die Vereidigung der Einwohner seines Territoriums auf diesen Vertrag. Königliche Kommissare beurkundeten daraufhin Albrechts Investitur, die ein Jahr später, am 26. Mai 1526, vom König ratifiziert wurde. Am selben Tag wurden Albrecht von Brandenburg einige Privilegien erteilt, die sich an den Bestimmungen der Goldenen Bulle von Rimini aus dem Jahre 1226 orientierten.
Damit hat Albrecht von Brandenburg nicht nur den Status quo ante akzeptiert. Er schwor König Zygmunt I. den Eid, den er bisher als Bestimmung im Zweiten Frieden von Thorn verweigert hatte, in einer stärker bindenden Form als 1466 vorgesehen. Er schloss nicht nur Frieden mit dem polnischen König, sondern leistete diesem auch den Lehnseid, nicht länger als Hochmeister des Deutschen Ordens, sondern als weltlicher Fürst.
Am 12. April war „Markgraf“ Albrecht von Brandenburg vom polnischen König urkundlich eine Leibrente von jährlich 4.000 rheinischen Gulden auf Lebenszeit zugesichert worden.
Bei der Rückkehr Albrechts aus Krakau nach Preußen, das er als Hochmeister einige Jahre zuvor verlassen hatte, musste der Ordensstaat in verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Hin-sicht noch in ein Fürstentum umgewandelt werden. Die Um-wandlung in ein erbliches Fürstentum wurde durch die Gleichzeitigkeit mit dem Glaubenswechsel sowie durch die den Ordensbrüdern angebotene Erblichkeit der neuen Ämter, unter der Bedingung, dass sie den Orden verließen und dem neuen Herzog als weltliche Amtleute dienten, erleichtert. Die Amtsbezirke blieben in der überwiegenden Mehrheit bestehen und wurden bei personeller Kontinuität in Hauptämter umgewandelt. Des Weiteren konnte sich Albrecht auf die Unterstützung persönlicher Ratgeber, so Dietrich von Schönberg, und Freunde verlassen, die er mit nach Preußen gebracht hatte. Die Möglichkeit territorialer Veränderungen schloss Albrecht in diesem Transformationsprozeß gegenüber der Krone Polen nicht aus. Die Billigung des neuen Lehnsherrn erleichterte zusätzlich die Umsetzung der Vorstellungen des Herzogs.
Die Auflösung des Ordens in Preußen und die bereits begonnene Reformation wurden in den Vertrags- und Lehnsurkunden nicht erwähnt, vom katholischen polnischen König aber stillschweigend gebilligt. Die erste lehnsrechtliche Beziehung zwischen einem protestantischen und einem katholischen Fürsten war somit hergestellt.
Dieser umwälzende Vorgang fand ohne Einwirkungen von außen statt, fast so als seien Kaiser und Papst nicht betroffen; doch die politischen und konfessionellen Folgen der Reformation, so auch der Bauernkrieg, lenkten von einem Eingreifen in Preußen ab. Weder die verhängte Reichsacht noch die Exkommunikation hatten faktische Auswirkungen. Der geschwächte Deutsche Orden im Reich und in Livland selbst war nur noch zu vereinzelten Ansätzen von Gegenwehr fähig und ging in Preußen unter, weigerte sich aber, den Abfall des Hochmeisters und des wichtigsten Ordensterritoriums anzuerkennen.
Die Durchsetzung der Lehnshoheit über das ehemalige Ordens-land Preußen war ein großer Erfolg für die Politik Zygmunts I., da er neben der Erweiterung des Reichsgebietes auch den Zugang zur Ostsee auf breiter Front sicherstellte. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen König und Herzog – Onkel und Neffe – sowie die guten persönlichen Beziehungen nahmen dem Lehnsverhältnis den Charakter einer Unterwerfung.
Der Krakauer Lehnsakt spielt ähnlich wie die Schlacht bei Tannenberg eine besondere Rolle im nationalen polnischen historischen Bewusstsein. Für die deutsche Geschichte und Kultur im Osten legte die Seitendynastie der Hohenzollern in Preußen wesentlich den Grund für den Aufstieg dieses Hauses und damit auch für dessen politische Rolle in der Reichsgeschichte.
Lit.: Maria Bogucka: Die preußische Huldigung, Warszawa 1986. – Hartmut Boockmann: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Ost-preußen und Westpreußen, Berlin 1992. – Hartmut Boockmann: Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 1981. – Heidrun Dolezel/Stephan Dolezel (Hg.): Die Staatsverträge des Herzogtums Preußen. Teil 1. Polen und Litauen. Verträge und Belehnungs-urkunden 1525-1657/58 (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Band 4), Köln/Berlin 1971. – Stephan Herbert Dolezel: Das preußisch-polnische Lehnsverhältnis unter Herzog Albrecht von Preußen (1525-1568)(Studien zur Geschichte Preußens. Band 14), Köln/Berlin 1967. – Kurt Forstreuter: Vom Ordensstaat zum Fürstentum (1498-1525), Kitzingen o.J. (1955). – Helmut Freiwald: Ansätze einer Deutschordensopposition im Herzogtum Preußen, in: Udo Arnold (Hg.): Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Festschrift zum 90. Geburtstag von Altmeister P. Dr. Marian Tumler O. T. Am 21. Oktober 1977 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens. Band 20), Marburg 1978, S. 158-176. – Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens. Zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1990. – Christel Krämer: Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg-Ansbach und Friedrich II. von Liegnitz. Ein Fürstenbriefwechsel 1514-1547. Darstellung und Quellen (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Band 8), Köln/Berlin 1978. – W. Pochiecha: Geneza holdu Pruskiego, Thorn 1937. – Gotthold Rhode: Kleine Geschichte Polens, Darmstadt 1965. – Andrea Schmidt-Rösler: Polen. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Ost- und Südosteuropa. Geschichte der Länder und Völker), Regensburg 1996. – Robert Stupperich (Hg.): Die Reformation im Ordensland Preußen 1523/24. Predigten, Traktate und Kirchen-ordnungen (Quellenhefte zur ostdeutschen und osteuropäischen Kirchengeschichte), Ulm 1966. – Zygmunt Wojciechowski: Le traité de Cracovie de 1525, in: Revue historique 207 (1952), S. 15-24.
Bild: Der Vertrag von Krakau / Quelle: Autorstwa Azgar – http://www.ieg-mainz.de/likecms/index.php site=site.htm&dir=&nav=&siteid=133&treaty=105&page=1&lastsiteid=77&sq=%26is_fts%3D1%26filter_select%3D%26filter_wt%3D%26filter_id%3D%26filter_l%3D%26filter_p%3D%26searchlang%3Dde%26searchstring%3D1493%26date%3D%26year_from%3D%26year_till%3D%26location%3D, Domena publiczna, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10945814
Carl August Lückerath