Ereignis vom 21. Januar 1720

Friede von Stockholm

Die Inschrift am Berliner Tor in Stettin erinnert noch heute an den Erwerb der Stadt durch Friedrich Wilhelm I.

Das Jahr 1720 leitete mit der Festlegung der Peene als Grenze zwischen dem schwedischen und dem preußischen Vorpom­mern den letzten Abschnitt in der Ge­schichte eines relativ selbständigen pommerschen Territoriums ein. Es sollten noch weitere 95 Jahre vergehen, bis auch das letzte Teilgebiet des ehemaligen pommer­schen Herzogtums an das Königreich Preu­ßen fiel und sich damit die seit dem spä­ten Mittelalter gehegten Bestrebungen Brandenburg/Preußens auf den Besitz Pom­merns vollständig erfüllten.

Häufig wird das Jahr 1637, das Jahr, in dem der letzten Greifenherzog Bogislaw XIV. ohne Erben starb, als das Ende des eigen­ständigen pommerschen Herzogtums angesehen. Das stimmt nur bedingt. Es trifft zu, daß die Dynastie der Greifenherzöge in diesem Jahr erlosch. Tatsächlich blieb jedoch ein Teil des Herzogtums, wenn auch sehr eingeschränkt, staats­rechtlich selbständig. In den Festlegungen des Frie­densver­trags von Münster und Osnabrück (1648) wurde Hinterpom­mern, das Ge­biet östlich der Oder, dem Kurfürstentum Bran­denburg zugesprochen, Vorpommern aber blieb mit einem Streifen am östlichen Oderufer formal selbständig. Schweden erhielt das Land als „dauerndes und unmittelbares Reichsle­hen“, und die schwe­di­schen Könige wurden mit dem Titel „Herzog von Pom­mern“, „Fürst von Rügen“ als unmit­telbare deut­sche Reichs­stände aufgenom­men. Der brandenbur­gische Kurfürst konnte das aber nur sehr widerwillig hinneh­men, weil er nach den gültigen Erb­verträgen, die seit 1338 in wieder­hol­ten Abspra­chen mit den Pommernherzögen abge­schlossen wor­den waren, recht­mäßiger Erbe ganz Pommerns war.

Die poli­tische Realität entsprach dem nicht. Schweden hatte im Dreißigjährigen Krieg den größten Teil Pommerns besetzt und unter Druck Her­zog Bogislaw XIV. 1630 zum Abschluß eines Bündnisvertrags genötigt. Dieser Vertrag sah auf den ersten Blick nach einem Abkommen unter Gleichen aus. Man sicherte sich gegenseitigen Beistand und Gleichstellung aller Bürger zu. Das bedeu­tete u. a., daß bei der Besetzung von Äm­tern in Schwe­den und in Pommern schwe­dische und pom­mer­sche Staats­bürger theoretisch gleichgestellt wurden. Die Privi­­legien der Stände in Pommern wurden respektiert und insgesamt am ganzen pom­merschen Rechtsgefüge wenig ge­ändert. Schweden hatte die brandenburgische Erbfolge zwar anerkannt, aber die Herausgabe der besetzten Gebiete von Entschä­digungs­zah­lun­gen abhängig gemacht. Die Anwesenheit starker schwedischer Trup­pen ließ den Gedanken einer Über­gabe an den branden­bur­gischen Kurfürsten nicht aufkommen.

Im Westfälischen Frieden war die Grenze zwischen dem schwe­dischen und dem brandenburgischen Pommern nicht genau festgeschrieben worden. Man hatte sich grob an der Oder als der seit 1532 zwischen den relativ eigenständigen pom­­mer­schen Herzogtümern Pommern-Stettin und Pommern-Wol­gast existierenden Tren­nungslinie orientiert. Brandenburg und Schweden waren aufgefordert worden, den genauen Grenzverlauf in bilateralen Verhandlungen festzulegen. Diese zogen sich bis 1653 hin und endeten damit, daß die Oder im wesentlichen die Grenze bildete. Schweden erhielt jedoch zusätzlich einen Streifen Land auf dem östlichen Ufer der Oder sowie hinterpommersche Zolleinnahmen. Die Schwierigkeiten, die die Ausein­andersetzung Schwedens und Brandenburgs mit sich brachten, sind auch an der Tatsache zu erkennen, daß man den 1637 verstorbenen letzten Pommernherzog erst 1654 beisetzte. Bei den Feierlichkeiten zu seiner Beerdigung wurden alle zere­moniellen Akte vermieden, die beim Aussterben eines Fürstengeschlechts nach al­tem deutschen Recht üblich waren (Zerbrechen von Fahne und Schild).

Im gesamteuropäischen Machtgefüge konnte die Ausdehnung Schwedens auf dem Kontinent nicht ohne Widerspruch blei­ben. Die erste Möglichkeit, Schweden aus Pommern zu ver­drängen, ergab sich 1655, als Schweden mit Polen in Konflikt geriet. Brandenburg lehnte erwartungsgemäß ein schwedisches Hilfeersuchen gegen Polen ab. Mehr oder weniger vom Kaiser gedrängt, schickte der brandenburgische Kurfürst im Juli 1659 zusammen mit kaiserlichen Regimentern Truppen nach Schwe­disch-Pommern. Was militärisch zunächst als ein Erfolg aussah, erwies sich beim Frie­densschluß in Oliva (1660) als ein Fehlschlag. Die schwedischen Besitzungen blie­ben unangeta­stet. Ein zweiter Versuch, der 1675 begann, führte ebenfalls zu keiner wesentlichen territorialen Veränderung. Auslöser war diesmal der schwedische Ein­marsch in die Uckermark gewe­sen. Nach der schwedischen Niederlage von Fehr­bellin (1675) marschierten brandenburgische, kaiserliche und dänische Trup­pen in Schwedisch-Vorpommern ein. Im Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye vom Juni 1679 erwiesen sich die mili­tä­ri­schen Eroberungen allerdings wiederum als poli­tisch fol­genlos. Die Diplomatie hinter den Kulissen hatte erreicht, daß die schwe­di­schen Besitzungen nahezu erhalten blieben. Es wurde nur der östlich der Oder gelege­ne Besitz etwas ver­klei­nert. Das muß für Brandenburg besonders schmerzlich gewe­sen sein. Hatte man doch unter erheblichen Opfern weite Gebiete in Vor­pommern militärisch erobert.

Im Jahre 1700 begann Karl XII. von Schweden ein militäri­sches Abenteuer, das ei­nen nahezu 20jährigen mörderischen Krieg, den Nordischen Krieg, auslösen sollte. Der zunächst erfolgreiche schwedische Feldzug gegen Polen und Sachsen brachte für Pommern nur finanzielle Belastungen mit sich. Nach der Niederlage bei Poltawa im Jahre 1709 näherte sich der Krieg allerdings den pommerschen Grenzen, und im Au­gust 1711 marschierten polnische, sächsische und russische Trup­pen in Vor­pommern ein. Anfänglich schienen sich die schwe­dischen Truppen behaupten zu können, nach 1713 wurde jedoch die Übermacht der verbündeten Sachsen, Polen, Russen und Dänen spürbar. 1715 schloß sich dann auch Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, dieser Koalition an. In relativ kurzer Zeit war das ganze Land erobert. Die Schweden kapitu­lierten am 24. Dezember 1715.

Schwedisch-Vorpommern war durch die ständigen kriegeri­schen Auseinanderset­zungen nahezu völlig verwüstet. Man kann die Verluste dieses Krieges durchaus mit den Schäden des Dreißigjährigen Krieges vergleichen. Mißernten ver­schlimmerten die Not der Menschen zusätzlich. Die Insel Rügen und das Gebiet nördlich der Pe­ene wurde von russi­schen Truppen besetzt, das übrige schwedische Vorpommern von Preußen. Auch Dänemark erhielt einen Teil des Landes. Diplomatische Kontak­te hatten bereits zu diesem Zeitpunkt zur inoffiziellen Vereinbarung geführt, daß das Gebiet südlich der Peene an Preußen fallen sollte. Dies bietet die Erklärung für die Lehensinvestitur der Ritterschaft, die 1716 vollzogen wurde. Anfang 1717 folgte die Verpflichtung der Vertreter Stettins per Handschlag auf die „itzige höchste Obrig­keit“.

Nach langwierigen Verhandlungen wurde schließlich am 21. Januar 1720 im Frieden von Stockholm vereinbart, daß Schwe­den alle Gebiete südlich der Peene und die Insel Use­dom an Preußen gegen eine Zahlung von zwei Millionen Talern abzu­ge­ben hatte. Einige Monate später, im Frieden von Frie­drichs­burg, wurde auch Dänemark in diesen Vertrag einbe­zogen. Es gab die besetzten Gebiete nördlich der Peene an Schweden zurück. Stettin, im Vertrag von Schwedt 1713 Preu­ßen bereits zugespro­chen, fiel ebenso wie die größeren Städte Anklam und Dem­min an Preußen. Im schwedischen Vorpom­mern ver­blie­ben neben einigen kleinen Städten nur noch Stral­sund und Greifswald.

Im Verlauf des Siebenjährigen Krieges haben sich keine weite­ren Gebietsverände­rungen mehr ergeben. Recht glücklich sind aber die schwedischen Könige mit ihrem verbliebenen Rest von Vorpommern offenbar nicht gewesen. 1798 wurde in einer geheimen Botschaft Preußen die Abtretung Schwedisch-Vor­pommerns angeboten. Es wurde zwar ernsthaft darüber ver­handelt, aber den Preußen erschienen die ge­forderten Bedin­gungen offensichtlich als unangemessen. Preußen sollte das Land für 25 Jahre gegen eine Zahlung von 15 Millionen Talern übernehmen, die Hoheits­rechte sollten jedoch bei Schweden verbleiben. Die Gespräche wurden abgebro­chen. Ohne konkre­te Verhandlungen ist der 1806 vom schwedischen König geäu­ßerte Gedanke geblieben, seine vorpommerschen Besitzungen an Rußland zu ver­kaufen. 1815 wurde das schwedische Vor­pommern schließlich im Zug der Neuord­nung in Europa auf dem Wiener Kongreß gegen Zahlung von zwei Millionen Talern an Preußen abgetreten. Mit dem Übergang des restli­chen schwedischen Vorpom­merns an Preußen endete die „poli­ti­sche Selbständigkeit“ Pommerns. Pommern, nunmehr vereint, wur­de eine preußische Provinz. Schwierigkeiten bei der Inte­grat­ion des schwedischen Teils hielten noch einige Jahrzehnte an, doch mit Einführung der preußischen Provin­zial­ordnung waren die Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Ent­wick­lung Ge­samt­pommerns gegeben.

Lit.: Martin Wehrmann: Geschichte von Pommern. Bd. 2. Gotha 1919/21. – Henning Rischer: Chronologische Übersicht zur Geschich­te Pom­merns (ungedr. Manuskript). Loitz 1992. – Hans-Helmuth Knüt­ter: Aussterben des pommerschen Greifengeschlechts mit Bogis­law XIV., in: OGT 1987, S. 254-256.

Bild: Die Inschrift am Berliner Tor in Stettin erinnert noch heute an den Erwerb der Stadt durch Friedrich Wilhelm I. / Quelle: Von Photogoddle – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71114560

Henning Rischer