Ereignis vom 1. Januar 1762

Gründung der ersten Bergakademie der Welt in Schmenitz

Akademiegebäude in Banská Štiavnica

Bis zum 18. Jahrhundert gab es für die berufliche Ausbildung von Bergleuten und Hüttenmännern nur Bergschulen, die praktische, aber keine wissenschaftlichen Kenntnisse des Berufes vermittelten. Erste montanwissenschaftliche Bildungseinrichtung im Range einer Hochschule war die Bergakademie in Schemnitz im damaligen Königreich Ungarn, deren Gründung 1762 durch einen Beschluss der Wiener Zentralbehörden erfolgte. Sie ist also älter als die Bergakademie Freiberg in Sachsen (heute Technische Universität), die 1765 entstand, oder vergleichbare Bergbauinstitute in St. Petersburg (1773) und die Academia de Minas im spanischen Almaden.

Die Schemnitzer Bergakademie ist auch die älteste Technische Universität weltweit. Schemnitz, im damaligen Oberungarn, heute die Stadt Banská Štiavnica in der Slowakei mit 10.000 Einwohnern, inmitten der Schemnitzer Berge gelegen, wird 1156 als „Land der Bergleute“ (terra banensium) erwähnt, wo sich deutsche Bergleute ansiedelten, die Gold und Silber abbauten, weshalb der Ort 1255 das Stadtrecht erhielt und eine Königliche Freie Bergstadt wurde. Die Stadt erlebte schwere politische Konflikte, schloss sich aber bald mit anderen Bergbaustädten wie Neusohl (Banska Bystrica) und Kremnitz (Kremnica) zu einem Bündnis Freier Bergstädte zusammen, um gemeinsam auftretende und Bergbauprobleme zu lösen.

In Schemnitz wurde erstmals Schwarzpulver im Bergbau zur Sprengung verwendet und installierte man mit 61 Stauseen ein kompliziertes Pumpsystem, um die notwendige Wasserenergie zu gewinnen, aber auch um Wassereinbrüche in die Bergwerke zu verhindern. Noch heute heißen bei den slowakischen Einwohnern diese Stauseen „tajchy“ (Teiche).

Der Engländer Isaac Potter und Joseph Emanuel Fischer von Erlach, der Sohn des berühmtem Barockarchitekten Johannes Fischer von Erlach, setzten 1722 in Schemnitz zum ersten Mal eine „Feuermaschine“ ein, um die Stollen nach Wassereinbrüchen trocken zu legen. Es war die erste atmosphärische Dampf­maschine, die auf dem Kontinent eingesetzt wurde und unter dem Name „Pottersche Feuermaschine“ bekannt wurde. In sei­nem Theatrum machinarum hydraulicum hat sie der Leipziger Mechaniker Jacob Leupold detailliert beschrieben. Der 1713 in Schemnitz geborene Josef Karl Hell erfand als Bergbauingenieur eine neue, bald überall eingesetzte Wasserpumpe. Sein 1720 geborener Bruder Maximilian besuchte ebenfalls die Bergschule und ist der später berühmte Astronom der Wiener Sternwarte.

Die Stadt Schemnitz samt ihren Bergwerkanlagen ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Ihre Bergwerkskarten sind auch in das Weltdokumentenerbe der UNESCO eingetragen, weil der Ruhm der ältesten Bergakademie die Stadt bekannt machte.

Bereits 1735 entstand eine Bergschule, die dann 1762 zur ersten Bergakademie erweitert wurde. Als erster Professor für Chemie, Mineralogie und Hüttenwesen wurde Nicolaus Joseph Jacquin berufen, ein Niederländer aus Leiden, der 1754 bis 1759 in österreichischen Diensten auch Westindien bereist hatte und sich als Botaniker und Chemiker einen Namen machte, so dass er später in der Freiherrenstand erhoben wurde. 2011 wurde für ihn in Österreich eine 20-Euro-Gedenkmünze in Silber herausgegeben. Auf den ersten Lehrstuhl für Mathematik, Physik und Mechanik kam der Jesuit Nicolaus Poda aus Graz; auf dem Lehrstuhl für Bergbaukunde und Bergkameralistik lehrte Christoph Traugott Delius aus Wallhausen (Sachsen-Anhalt), der bis heute als Autor einer auch ins Französische übersetzten „Anleitung zur Bergbaukunst“ bekannt wurde.

Ein bekannter Montanwissenschaftler, der in Schemnitz studierte und später dort lehrte, war Joseph Russegger. Nach seinem Studium in Schemnitz wurde er Bergbauverwalter in Böckstein bei Bad Gastein und machte ausgedehnte Forschungsreisen durch Kilikien, Syrien, Ägypten und den Sudan, wobei er für den Vizekönig in Ägypten diese Gebiete auch geognostisch erforschte. Als Direktor der Hochschule in Schem­nitz starb er 1863.

Ein weiterer Montanist von Weltruf war Peter von Rittinger aus dem mährischen Neutitschein (Nový Jičin), der nach seiner Ausbildung in Schemnitz zunächst in St. Joachimsthal (Jáchy­mov) und später in galizischen Salzbergwerken als Erfinder von verschiedenen Verbesserungen der Erzaufbereitung und Salzgewinnung in den erblichen Ritterstand erhoben wurde.

Im 19. Jahrhundert änderte die Bergakademie ihren Namen. Bis 1824 hieß sie Bergakademie, dann Berg- und Forstakademie, seit 1904 Berg- und Forsthochschule. In den Jahren der ungarischen Revolution gegen Wien 1848/49 verließen viele deutsche Studenten Schemnitz und gingen an die Montanuniversität nach Leoben in der Steiermark. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 setzte eine konsequente Magyarisierung ein, während gleichzeitig in Schemnitz ein Niedergang des Bergbaus erfolgte. Anfang des Jahres 1919 besetzten Truppen der neugegründeten Tschechoslowakei die Stadt, die dann im Juni von Soldaten der damaligen ungarischen Räterepublik nur kurzfristig zurückerobert wurde und wieder an die CSR fiel. Damals verließen die letzten ungarischen Professoren Schemnitz und gingen nach Ödenburg (Sopron). 1987 gab die Tschechoslowakei zum 225-jährigen Jubiläum der Bergakademie eine 100-Kronen-Silbermünze heraus. Im Herbst 2012 beging die Stadt Schemnitz die 250-Jahrfeier der Hochschule.

Der letzte Bergbau in Schemnitz wurde 1994 eingestellt.

Bild: Akademiegebäude in Banská Štiavnica / Quelle: Dobos RóbertSelmecbányai palotákCC BY-SA 3.0

Rudolf Grulich