Ereignis vom 19. Januar 1723

Gründung des „General-Ober-Finanz-, Krieges- und Domänen-Directoriums“ durch König Friedrich Wilhelm I. in Preussen

Eigenhändige Instruktion Friedrich Wilhelms I. von 1722 für das Generaldirektorium

Am 19. Januar 1723 wurden die leitenden Beamten der beiden zentralen Verwaltungsbehörden des brandenburgisch-preußichen Staates, des Generalfinanzdirektoriums und des Generalkriegskommissariats, in die Geheime Ratsstube auf das Berliner Schloß einbestellt, wo sie der wichtigste außenpolitische Berater Friedrich Wilhelms I., der Wirkliche Geheime Rat und Staatsminister Heinrich Rüdiger von Ilgen (1654-1728), erwartete. Er verlas den Anwesenden eine königliche Ordre vom 15. Januar 1723, die in knappen Worten den Zustand und die Arbeitsweise beider Behörden einer kritischen Analyse unterwarf und dabei nicht an scharfen Vorwürfen gegenüber einzelnen Beamten sparte. Die Unzufriedenheit des Königs entzündete sich vor allem an den „vielfältigen Collisionen“ der beiden rivalisierenden Institutionen, deren Auseinandersetzungen „so weit poussiret worden, als wann das eine Collegium nicht eben wie das andere, Uns zugehörete und beiderseits eines und desselben Königs und Herrn Diener und Unterthanen wären, sondern unter ganz diversen, und zwar solchen Potentaten stünden, deren Interesse einander gänzlich zuwiderliefe.“ Seinen allgemeinen Ausführungen ließ Friedrich Wilhelm I. eine Reihe von praktischen Beispielen folgen, von denen sich „mehr denn tausend Exempel“ anführen ließen. Aus diesen Erfahrungen mit den „Passiones und Animositäten“ der konkurrierenden Behörden und ihrer Beamten, deren Konflikte sich bis auf die Ebenen der Provinzial- und Lokalverwaltung fortsetzten und zu gegenseitigen Prozessen führten, leitete der König seine Pläne für eine umfassende administrative Neugestaltung ab.

Seine Bereitschaft zu einem energischen Vorgehen mußte den einbestellten Behördenchefs spätestens dann klar werden, als sie zu hören bekamen: „Sie hätten vielleicht gemeinet, daß sie es mit einem Narren zu thun hätten, dem man etwas vormachen könnte“ und daß sie wohl „die Heiligen mehr angebetet, als daß sie ihrem König und angeborenen Landesherrn die schuldige Treue erwiesen“ hätten. Da man auf diese Weise Gefahr laufe „Uns und Unseren Landen und Unterthanen den äußersten Scha¬den und Ruin über den Hals zu ziehen“, habe man nach reiflicher Überlegung beschlossen, „beide (…) Collegia, (…) zu cassieren und aufzuheben“ und an ihre Stelle eine Behörde, die die umfassende Bezeichnung „General-Ober-Finanz-, Krieges- und Domänen-Directorium“ tragen solle, einzusetzen. Ilgen erläu¬terte den ahnungslosen Beamten, die über das Projekt des Königs bewußt im Unklaren gelassen worden waren, die Struktur und die personelle Zusammensetzung der neuen Institution, die nach der Vereidigung der Minister und Räte noch am gleichen Tag zu ihrer ersten Sitzung im Berliner Schloß zusammentrat.

In Form eines Staatsaktes im engsten Kreis um den Monarchen vollzog sich in der hier geschilderten Szene die Gründung des Generaldirektoriums in Brandenburg-Preußen. Friedrich Wilhelm I. selbst sprach bereits im Vorfeld der Ereignisse in einem Brief an Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747) von dem bevorstehenden „Donnerschlack“, womit die angedeutete Zäsur in der preußischen Verwaltungsgeschichte und zugleich einer der Höhepunkte in der Regierungsperiode des zweiten preußischen Königs vielleicht am treffendsten charakterisiert ist. Daneben eröffnet die mit der Gründung des Generaldirektoriums verbundene Verwaltungs-, Finanz- und Heeresreform dem heutigen Betrachter den Blick auf den persönlichen Regierungsstil und das politische Programm Friedrich Wilhelms I., das er im wesentlichen bis zum Jahre 1723 durchzusetzen vermochte. Die Grundlage dieser Umgestaltung des Behördensystems bildete eine vom König selbst konzipierte Instruktion, die er der neuen Zentralbehörde als Verwaltungshandbuch mit auf den Weg gab. Neben dem ebenfalls im Jahre 1722 verfaßten politischen Testament des Königs gehört sie zu den wichtigsten Quellenzeugnissen des Monarchen selbst, der aus den Erfahrungen der administrativen Praxis gleichsam in einem großen Wurf alle Zweige der staatlichen Verwaltung, besonders aber die Innen-, Finanz- und Wirtschaftspolitik, einer grundlegenden Neuordnung unterzog.

Die Hauptabsicht des Königs bestand nach Leopold von Ranke in der „Herstellung einer größeren Einheit“, in der die beiden gegensätzlich ausgerichteten und in Ressortstreitigkeiten verwickelten Behörden und ihr bisheriger Aufgabenbereich zusammengefaßt wurden. Das Ansehen der neuen Behörde unterstrich Friedrich Wilhelm I. damit, daß er selbst den Vorsitz im Generaldirektorium übernahm, auch wenn er in die Dienstgeschäfte nur selten direkt eingriff. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern regierte er nicht mehr aus dem Rat, sondern beschränkte den unmittelbaren Geschäftsverkehr mit den Ministern auf schriftliche Weisungen oder Randverfügungen, die er aus seinem Kabinett heraus auf die von der neuen Behörde eingesandten Berichte erteilte. Die neue administrative Organbildung hatte somit auch Einfluß auf die sich institutionell verfestigende Kabinettsregierung in Brandenburg-Preußen. An die Stellung des Königs innerhalb der Behörde erinnerte jedoch ein für ihn reservierter Stuhl, den er hatte für sich aufstellen lassen.

Die innere Struktur des Generaldirektoriums bestand zum Zeitpunkt seiner Gründung aus vier Departements, denen jeweils ein „dirigierender“ Minister vorstand. Alle Minister waren jedoch über ihren eigenen Bereich hinaus „vor alles und jedes“, mithin also in allen Angelegenheiten des Generaldirektoriums dem König verantwortlich. In personeller Hinsicht wurde jedes Departement mit vier bis fünf vortragenden „Geheimten Finanz-, Krieges- und Domänenräthen“ sowie einer Reihe untergeordneter Beamte ausgestattet. Mit in der Anfangszeit 18 bis 19 Räten und 45 weiteren Beamten wies das Generaldirektorium angesichts seines großen Aufgabenbereichs einen recht bescheidenen Umfang auf.

Ein Blick auf die Aufgabenverteilung der Departements zeigt für die gesamte Behörde eine Kombination zwischen dem Territorial- und dem Realprinzip: Der Zuständigkeitsbereich des I. Departements erstreckte sich auf Preußen, Pommern und die Neumark sowie Grenz-, Rodungs- und Trockenlegungssachen. Das II. Departement verwaltete die Angelegenheiten von Minden, Ravensberg, Tecklenburg, Lingen sowie die Rechenkammer und das Proviantwesen. Der Heeresorganisation und -versorgung, insbesondere der Verpflegung der Armee, diente das III. Departement, dessen territoriale Zuständigkeit die Kurmark Brandenburg, Magdeburg und Halberstadt umfaßte. Dem IV. Departement schließlich wurden die preußischen Westprovinzen Kleve, Mark, Moers, Geldern und Neuchâtel sowie das Post- und Münzwesen unterstellt. Während durch die administrative Zuweisung verschiedener Landesteile auf die vier Departements noch die politisch-verfassungsmäßigen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede der einzelnen Teillandschaften und ihr langsames Zusammenwachsen zum Ausdruck kommt, verweist das zusätzlich eingefügte Realprinzip bereits auf zukünftige Entwicklungen innerhalb der staatlichen Verwaltung. Ungeachtet mancher rückwärtsgewandter Elemente waren hier bereits der Keim des Ressortprinzips und damit die Anfänge der modernen Fachministerien angelegt, zumal ein weiteres Departement für sämtliche Justizangelegenheiten bereits ganz nach dem Ressortprinzip organisiert war.

Die Minister waren angehalten mit den ihnen unterstellten Provinzialbehörden zu korrespondieren und regelmäßig Berichte einzufordern. Der gesamte Verwaltungsapparat wurde jedoch zusätzlich von einem geheimen Korrespondentennetz überwacht. Hinsichtlich des äußeren Rahmens und der Arbeitsweise der Behörde traf die Instruktion genaue Anweisungen. Auch wenn der König hinsichtlich der Beschlußfassung noch am kollegialischen System festhielt, so hatte die Festlegung bestimmter Sitzungstage und -zeiten, des Dienstbetriebes und der Bearbeitung der Sachfragen doch weitreichende Folgen für die Disziplinierung des leitenden Beamtentums und der staatlichen Bürokratie.

Das umfassende Reformwerk des Königs, das die Verschmelzung der Domänen- und Steuerverwaltung in eine zentrale Behörde rasch und ohne große Reibungsverluste vollzog und gleichzeitig die Zweispurigkeit in der Verwaltung beendete, setzte sich auf der Ebene der einzelnen preußischen Landesteile mit der Bildung der Kriegs- und Domänenkammern fort. Sie entstanden aus der Fusion der Amtskammern und Kriegskommissariate und waren in ihrer Organisation und Geschäftsverteilung weitestgehend am Vorbild des Generaldirektoriums orientiert, dessen Wirkung erst durch die nachgeordnete Behördenstruktur voll zur Geltung kam.

Für nahezu hundert Jahre prägten die in der Instruktion von 1723 festgelegten Grundsätze und Prinzipien den Aufbau und die Arbeitsweise der preußischen inneren Verwaltung, zu derem alleinigen Mittelpunkt sich das Generaldirektorium entwickelte. Von seiner Entstehung war und blieb es ein Produkt seiner Zeit, also jener zehn ersten Regierungsjahre König Friedrich Wilhelms I., die von einer Reihe von Reformen und Veränderungen geprägt wurden und die zu Recht mit späteren Reformphasen in Preußen wie etwa in den Jahren 1808 bis 1820 oder 1867 bis 1880 verglichen worden sind.

Quellen: Acta Borussica. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Hrsg. v. d. Preußischen [früher Königlichen] Akademie der Wissenschaften. [Abteilung] Behördenorganisation und allgemeine Staatsverwaltung [A.B., B.O.] Bd. III. Bearb. v. Gustav Schmoller, Otto Krauske und Victor Loewe, Berlin 1901. – Peter Baumgart (Hrsg.): Erscheinungsformen des preußischen Absolutismus. Verfassung und Verwaltung, Germering 1966. – Victor Loewe: Zur Gründungsgeschichte des General-Directoriums, in: FBPG 13, 1890, S. 242-246. – Bruno Reuter: König Friedrich Wilhelm I. und das General-Directorium, in: ZPGL 12, 1875, S. 724-749.

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Bild: Eigenhändige Instruktion Friedrich Wilhelms I. von 1722 für das Generaldirektorium. Staatsarchiv Merseburg / Quelle: Von Frederick William I of Prussia – 2d copy, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48539851

Johannes Schellakowsky