Ereignis vom 13. Dezember 1250

Kaiser Friedrich II. und seine Bedeutung für den Deutschen Orden

Friedrich II. mit seinem Falken.

Als Kaiser Friedrich II. am 13. Dezember 1250, also vor 750 Jahren, in Castel Fiorentino in Apulien in einem Alter von fast 56 Jahren starb und danach im Dom zu Palermo beigesetzt wurde, endete die lange, ereignisreiche und bewegte Regierungszeit des Reichsoberhauptes, dem der Deutsche Orden im besonderen Maße politische Förderung zu verdanken hatte. Auf diese Konstellation ist es zurückzuführen, wenn in der Literatur – wenn auch unter Vorbehalt – von einem „staufischen Hausorden“ gesprochen worden ist. Doch begann die enge Verbindung zwischen den staufischen Kaisern und dem Deutschen Orden als jüngstem der drei großen Ritterorden nicht erst mit diesem Kaiser, sondern ging auf die Anfänge des Ordens zurück. Das Feldspital vor Akkon, aus dem der Orden hervorgegangen ist (vgl. OGT 1990, S. 227-235), entstand 1190 während des sog. Dritten Kreuzzuges, den Kaiser Friedrich I. Rotbart (Barbarossa), der Großvater Friedrichs II., begonnen hatte. Nach Barbarossas Tod, noch bevor dieser das Heilige Land hatte erreichen können, gehörte dessen jüngerer Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, nach traditioneller Überlieferung zu den Förderern des Feldspitals. Nachdem die Hospital-gemeinschaft durch ein päpstliches Schutzprivileg von 1196 ordensähnlichen Charakter angenommen hatte, war es die Politik von Barbarossas ältestem Sohn, Kaiser Heinrich VI., der die entscheidende Wandlung in der Ordensverfassung veranlasste. Er hatte nach dem Tode seines Vaters das römisch-deutsche Reich seit 1194 mit dem Erbe seiner Frau, dem Königreich Sizilien, in einer Hand vereint und suchte nach Wegen, dies vom Mittelmeerraum her zu sichern. Im Zuge seines 1196/97 geplanten und auch durchgeführten Kreuzzugs kam es zu einem ersten überlieferten unmittelbaren Kontakt mit dem Spital in Akkon durch Besitzbestätigungen und –übertragungen auf Sizilien und in Apulien. Obwohl Kaiser Heinrich VI., der von Sizilien aus die Versorgung des Heeres leitete, überraschend am 28. September 1197 in Messina gestorben war, wurde im März 1198 im Beisein geistlicher und weltlicher Fürsten des Reichs vor deren Heimreise in Akkon die Hospitalgemeinschaft in einen Ritterorden umgewandelt. Dass dies geschehen konnte, zeigt, dass es sich um einen länger geplanten Vorgang handelte, mit dem der Kaiser und das Reich im Heiligen Land eine eigene militärische Macht schaffen wollten. Die päpstliche Bestätigung erfolgte 1199.

Auch nach der staufisch-welfischen Doppelwahl des Jahres 1198 konnte der Deutsche Orden seine Besitztümer im Mittelmeerraum vermehren sowie nördlich der Alpen neue erwerben. Eine unmittelbare Mitwirkung König Philipps, der sich zunächst im Reich gegen seinen welfischen Gegenspieler durchsetzen konnte, ist 1207 im Bereich der späteren Ballei Marburg bei einer Besitzübertragung der Grafen von Ziegenhain-Reichenbach sichtbar. Als nach Philipps Ermordung 1208 zu-nächst Kaiser Otto IV. weitgehende Anerkennung fand, förderte auch dieser den jungen Ritterorden, indem er durch eine Schenkung die Anfänge der später bedeutenden Kommende in Nürnberg ermöglichte. In den folgenden Jahren haben die staufischen Herrscher dieses Haus gefördert, insbesondere wohl Friedrich II. 1230 durch die Übertragung des Elisabeth-Spitals. Nachdem 1209 Hermann von Salza (vgl. OGT 1989, S. 62-65) Hochmeister geworden war und seit Friedrich II., König von Sizilien, sich seit 1214 auch im Reich durchzusetzen begann und 1215 in Aachen zum deutschen König gekrönt wurde, erfolgte eine deutlich schnellere Vermehrung der Macht des Deutschen Ordens.

Wichtig wurde zunächst das Jahr 1216, an dessen Ende Her-mann von Salza erstmalig am Hofe Friedrichs II. weilte, weil der Orden kurz vorher seitens des Papstes von den bischöflichen Lokalgewalten eximiert und eine Lehnsexemtion ausgesprochen wurde, also ein Verbot, von den Deutschordensbrüdern Treuegelöbnisse, Lehnsbindungen oder andere Eide zu fordern. Im Jahre 1220 war der Hochmeister Zeuge der Kaiser-krönung Friedrichs. Zu diesem Zeitpunkt, nach der Rückkehr von der zunächst erfolgreichen militärischen Mitwirkung um Damiette im Nildelta, erfolgte auf Bitten des Kaisers die gänzliche kirchenrechtliche Gleichstellung mit den älteren großen Ritterorden der Templer und Johanniter. Dazu gehörte die Verleihung des weißen Mantels mit dem schwarzen Kreuz ohne Schild, die gegen die jahrelangen Proteste der Templer behauptet werden konnte. 1220 wurde Hermann erstmalig vom Kaiser als Diplomat in dessen Verkehr mit den Päpsten eingesetzt. Er hat bis zu seinem Tode 1239 mit mehr oder weniger Erfolg angesichts der zahlreichen Konflikte Friedrichs mit den Päpsten die Rolle eines Vermittlers spielen können.

Schon vorher hatte Friedrich begonnen, Ordensniederlassungen zu begründen. Bereits aus dem Jahre 1214 sind ein Spital in Altenburg in der späteren Ballei Thüringen und eine Kapelle in Donauwörth anzuführen. 1216 folgte ein Spital bei dem späteren fränkischen Landkomtursitz Ellingen. 1226 erhielt der Orden durch den Kaiser die Pfarrkirche von Köniz mit den Filialen in Bern und Überdorf, dies war der Grundstock für die bedeutend werdende Stellung des Ordens im Schweizer Teil der entstehenden Ballei Elsaß-Burgund. Die Gründung der beiden Kommenden in der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen gehen auf Schenkungen von Friedrichs Söhnen zurück, und zwar 1227 die altstädtische Blasiuskirche durch Heinrich (VII.) und 1243 die neustädtische Marienkirche durch Konrad IV. Einige weitere Ordensniederlassungen sind als „mittelbare stau-fische Gründungen“ bezeichnet worden, so 1219 die Ansiedlung in Würzburg auf Bischofsgut, weil Friedrich II. in seiner Bestätigung darauf hinwies, dass es sich um früheres Königs-land gehandelt habe. Ähnlich war es in Heilbronn und Rothen-burg ob der Tauber in der späteren Ballei Franken, in Mainz, Speyer und Frankfurt-Sachsenhausen im werdenden Meistertum, aber auch in Goslar, Beuggen (Elsaß-Burgund) und Einsiedel (Lothringen). Alle diese Ordenshäuser sind in den Bereichen entstanden, in denen Friedrich II. Reichslandpolitik betrieben hat; diese Schenkungen wurden in der Regel aus Reichsgut dotiert.

Diese kaiserliche Politik wurde grundlegend für die ungleichartige Verteilung der Deutschordenskommenden im Reich. Die damit verbundene landschaftliche Schwerpunktbildung fand ihre Ergänzung in den etwa 50 Gründungen, die während der Regierungszeit Friedrichs II. vornehmlich von Familien des hohen und niederen Adels, gelegentlich auch von Bischöfen und Bürgern vorgenommen wurden. Als bedeutendere Häuser sind Marburg, Zwätzen bei Jena und Griefstedt seitens der ludowingischen Landgrafen von Thüringen, Graz, Wien und Wiener Neustadt seitens der Babenberger Herzöge, Mergentheim seitens der Hohenlohes, Plauen durch die dortigen reichsministerialischen Vögte, Koblenz und Lengmoos (Tirol) durch die örtlichen Bischöfe, Ulm, Utrecht und Köln seitens der jeweiligen Bürger anzuführen. Dienten die Ordens-besitzungen in Apulien und Sizilien neben dem Spitaldienst vor allem der wirtschaftlichen und organisatorischen Unterstützung der Fahrten ins Heilige Land, hatten die Kommenden im Reich die zusätzliche Aufgabe, Menschen zum Einsatz als Kämpfer gegen die Heiden anzuwerben. Das waren die Erwartungen, die der Kaiser und das Rittertum seiner Zeit an den aufstrebenden Deutschen Orden stellten und weshalb sie diesen förderten. Dass neben dem Spitaldienst auch Pfarr- und Schuldienst von einer ganzen Reihe von deutschen Ordenshäusern aus wahrgenommen wurden, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Darüber hinaus unterstützte der Kaiser den Orden auch unmittelbar in den Randbereichen der Christenheit und den Heidenkampfgebieten. Der bekannte Versuch in den Jahren 1211-1225, von Siebenbürgen und dem vorgelagerten Burzenland aus tätig zu werden (vgl. OGT 1986, S. 201-204), ist misslungen, vermutlich weil er zu früh unternommen wurde. Es fehlte noch seitens des Ordens eine Abstimmung mit Papst und Kaiser, um gegenüber dem König von Ungarn und den örtlichen Bischöfen den nötigen Freiraum zu bekommen. Nachdem Hermann von Salza im Heiligen Land selbst für den Orden 1220 die Herrschaft des Joscelin käuflich erworben hatte und sich vom Papst sogleich hatte bestätigen lassen, ließ er sich diese Erwerbung nunmehr im Januar 1226 auch durch Kaiser Friedrich II. als König von Jerusalem und dessen zweite Gemahlin Isabella, der Erbin des Königreichs Jerusalem, privilegieren. Zugleich überwies Friedrich dem Orden die in sarazenischer Hand befindliche Baronie Toron in der Hoffnung, dass der Orden diese bald in Besitz nehmen könne. Der Orden wurde entsprechend seiner Lehnsexemtion in beispielloser Weise von allem Königs-dienst im Königreich Jerusalem befreit, um eigenständig Politik gegen die Sarazenen betreiben zu können. Die hier dem Deutschen Orden verliehenen Rechtstitel hätten es ihm ermöglicht – im Falle eines militärischen Erfolges –, eine in christlicher Hand befindliche Herrschaft mit benachbartem Heidenland zu vereinen und zu einem neuen selbständigen Territorium auszubauen. Ähnliche, letztlich nicht geglückte Versuche in Armenien, Zypern und Spanien brauchen hier nicht vorgestellt zu werden. Es war jedoch hier darauf einzugehen, nachdem die neuere Forschung ein methodisches Vorgehen des Ordens mit kaiserlicher Unterstützung erkannt hat, das schließlich in Preußen zu einem bedeutenden Erfolg führte.

1224/25 waren auf Vermittlung Herzog Heinrichs des Bärtigen von Schlesien erste Kontakte zwischen dessen Verwandten, Herzog Konrad von Masowien, und dem Deutschen Orden zustande gekommen. Der masowische Herzog suchte militärische Hilfe gegen die noch heidnischen Prußen, die sich schon seit Jahren gegen Zugriffe aus Polen durch Verwüstungen im Kulmer Land und im weiteren Machtbereich des Masowiers wehrten. Die Folge waren zunächst Verhandlungen des Ordens mit dem kaiserlichen Hof, als deren unmittelbaren Nieder-schlag lange Zeit die Geschichtsschreibung die berühmte Gold-bulle von Rimini angesehen hat, die auf den März 1226 datiert ist. In dieser ausführlichen Pergamenturkunde, deren Formulierungen sicher weitgehend vom Orden als Petenten bestimmt worden sind, wird bestätigt, dass der Herzog von Masowien dem Orden das Kulmer Land schenken wolle als Dank für die Bekämpfung der heidnischen Prußen. Weiter wird dem Orden der Besitz des eigentlichen Preußens gewährt. Dabei werden dem Hochmeister die Rechte wie einem Reichsfürsten verliehen, er wird jedoch wegen der Lehnsexemtion nicht in den Lehnsverband des Reiches aufgenommen. Die Zugehörigkeit der künftigen Deutschordensherrschaft Preußen zum Reich wird daher in einer undeutlichen Weise ausgedrückt.

Im Unterschied zum Zeitalter von Barbarossa werden in dieser Urkunde Friedrichs II. die landesherrlichen Rechte durch eine ausführliche Aufzählung von Besitzrechten beschrieben. Diese mögen die Idealvorstellung der Zeit Friedrichs II. von einer Landesherrschaft wiedergeben. Von der Goldbulle von Rimini gibt es zwei Ausfertigungen im Historischen Staatsarchiv Königsberg (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin), an deren jüngerer sich das goldene Siegel noch erhalten hat.

Nun haben neuere kanzleigeschichtliche Untersuchungen die schon früher geäußerte Ansicht bestätigt, dass die Urkunde erst 1235 ausgestellt worden ist. Bei der Interpretation der historischen Vorgänge bleibt es dabei, dass der Hochmeister nicht sogleich in Preußen aktiv werden konnte, weil er mit dem Kaiser den 1227 vorgesehenen Kreuzzug vorbereitete. Ob daher die kaiserliche Belehnung des Landgrafen von Thüringen mit Preußen eine Folge der Zurückhaltung des Ordens ist, wurde erwogen. 1227 wurde jedoch der Landgraf in Apulien ein Opfer der Seuche, die den Kreuzzug zunächst verhinderte und den Papst zum Bann gegen Friedrich II. veranlasste. 1228 kamen jedenfalls die Verhandlungen des Ordens mit Masowien in Gang, die im Kruschwitzer Vertrag von 1230 gipfelten. Zu beachten ist, dass während dieser diplomatischen Vorbereitungen der preußischen Ordenspolitik der Hochmeister schließlich 1229 im Gefolge Kaiser Friedrichs II. nach Jerusalem kam, wo der Orden in den Besitz des früheren deutschen Spitals aus dem 12. Jahrhundert gelangte. Das ist bemerkenswert, weil es in der Forschung eine Weile umstritten war, ob der 1190/98 entstandene Deutsche Orden eine unmittelbare Fortsetzung dieses deutschen Spitals von 1143 (Kontinuitätstheorie) oder eine Neugründung (Diskontinuitätstheorie) war. Nachdem der Orden im Blick auf Preußen die Verhältnisse mit den örtlichen Mächten weitgehend in seinem Sinne geregelt hatte, konnte der Kampf gegen die Prußen unter der Leitung von Landmeister Hermann Balk aufgenommen werden. Die älteste Stadtrechtsurkunde, die Kulmer Handfeste von 1233 bzw. 1232, die bis-her als ‚Ausführungsbestimmung‘ zur Goldbulle von Rimini angesehen wurde, stellt nunmehr ein Vorformulierung des Ordens für das kaiserliche Privileg dar. Noch bevor sich der Hochmeister diese vom Kaiser ausfertigen ließ, erklärte Papst Gregor IX. mit der ‚bleiernen Bulle von Rieti‘ 1234 (vgl. OGT 1984, S. 230-232) Preußen zu päpstlichem, dem Orden verliehenen Besitz und formulierte einen geistlichen Vorbehalt, in-dem er ganz allgemein die Gründung und Dotierung von Bistümern forderte, auch um die Macht des Ordens einzuschränken. Tatsächlich hat die päpstliche Urkunde die Entwicklung in Preußen nur noch modifizieren, nicht mehr neugestalten können. Neben den Verhandlungen mit dem Herzog von Masowien bleibt die Bedeutung der Goldbulle von Rimini trotz ihrer späteren Ausstellung bestehen. Das zeigt auch ihre weitere Überlieferungsgeschichte.

Während der Orden in Preußen mit der fortschreitenden Unterwerfung der Prußen die Zusagen der Urkunden in praktische Herrschaft umzusetzen begann, blieb er in den heftiger werdenden Spannungen zwischen Friedrich II. und den Päpsten um gute Beziehungen zu beiden Seiten bemüht. Die Heiligsprechung der Elisabeth von Thüringen 1235 und deren Beisetzung im folgenden Jahr in Marburg, wo der Deutsche Orden über ihrem Grab seinen bedeutendsten Kirchenbau errichtete, waren Augenblicke, in denen sich die verfeindeten Seiten zeitweilig begegneten. Noch zu Lebzeiten Hermanns von Salza gibt es Anzeichen, dass sich innerhalb des Ordens eine kaiserliche und eine päpstliche Partei entwickelten. Deutlicher wird dies in den 40er Jahren des 13. Jahrhunderts, als der Hochmeister Gerhard von Malsberg abgesetzt wurde und sich trotz päpstlicher Unter-stützung nicht als Ordensoberhaupt halten konnte.

Zur staufischen Partei gehörte der neue Hochmeister Heinrich von Hohenlohe (1244-1249), der wiederum zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln suchte. Doch scheiterte dies, so dass Friedrich II. Innozenz IV. aus Rom vertrieb und dieser auf dem Konzil zu Lyon den Kaiser für abgesetzt erklärte. Im Deutschen Orden wird eine päpstliche Partei in dem aus Thüringen stammenden Dietrich von Grüningen deutlicher erkennbar, der etwa 1238-1246 Landmeister von Livland, dann etwa 1246-1258 Landmeister von Preußen war. Er war zugegen, als mit päpstlicher Unterstützung der thüringische Landgraf Heinrich Raspe zum Gegenkönig ausgerufen wurde. Dietrich von Grüningen suchte durch Anwesenheit bei der in Lyon weilenden Kurie für den Orden günstige Verhältnisse in Preußen zu erreichen. Dazu gehörte es, dass der Ende 1245 vom Papst zum Erz-bischof von Preußen, Livland und Estland (vgl. OGT 1995, S. 249-253) ernannte Albert Suerbeer sich nicht in Preußen niederlassen konnte, sondern schließlich 1253 in Riga. Offenbar hat der Orden zu dieser Zeit mit verteilten Rollen gespielt. Nachdem der Papst im Februar 1245 durch seinen Legaten Wilhelm von Modena in Kurland die Diözese in der für den Orden günstigen Weise wie in Preußen aufteilen ließ, hat sich Hochmeister Heinrich von Hohenlohe im Juni 1245 von Kaiser Friedrich II. in Verona eine mit Goldbulle gesiegelte Urkunde ausstellen lassen, mit der dem Orden nicht nur Kurland, sondern auch „Letovia“ (Litauen oder Lettland) und Semgallen übertragen wurde. Diese Urkunde übernahm weitgehend den Wortlaut der Goldbulle von Rimini, so dass hier ein weiteres Mal die Rechte einer Landesherrschaft ausführlich aufgeführt wurden. Was hier im Unterschied zu den 20er Jahren fehlte, waren die Verhandlungen mit einer örtlichen Macht. Diese folgten erst in den 50er Jahren mit dem litauischen Herrscher Mindaugas. Eine Vergleichbarkeit mit der oben vorgestellten Erwerbsmethode ist insofern zu erkennen, als der Deutsche Orden mit Kurland aus der Erbschaft des 1237 inkorporierten Schwertbrüderordens (vgl. OGT 1987, S. 215-219) eine Landschaft übernommen hatte, von der aus er weitere Eroberungen zu machen versuchte. Ein mit Preußen vergleichbarer Erfolg ist hier dem Orden nicht beschieden gewesen, denn der Orden konnte später seine Herrschaft nicht über Kurland, Semgallen und das Selenland hinaus ausdehnen, wenn mit „Letovia“ Litauen gemeint gewesen sein sollte. Dennoch wird deutlich, dass Kaiser Friedrich II. auch bis in seine letzten Jahre hinein trotz des unversöhnlichen Kampfes mit dem Papsttum seine Bedeutung für den Deutschen Orden in dessen Ländern an der Ostsee behalten hatte.

Beim Blick auf die Beziehungen zwischen Kaiser Friedrich II. und dem Deutschen Orden stellt sich auch die Frage, welche Seite das größere Interesse und die meisten Vorteile gehabt hat. Die von Ernst Pitz gerade an den Urkunden, die Friedrich II. und die gleichzeitigen Päpste im Rahmen der baltischen Mission ausgestellt haben, entwickelte „Reskripttheorie“ hat heraus-gestellt, dass nicht nur die päpstlichen, sondern auch die kaiserlichen Reskripte in erster Linie den Petentenwillen wiedergeben. Vorher werde nur die allgemeine, nicht aber die individuelle Rechtmäßigkeit geprüft. Diese Untersuchung hat damit vor allem gegen überzogene päpstliche und kaiserliche Weltherrschaftsgedanken der bisherigen Geschichtsschreibung polemisiert. Somit drängt sich der Gedanke auf, dass es insbesondere Hochmeister Hermann von Salza gewesen ist, der den Rahmen der kaiserlichen Politik genutzt hat, um die Entwicklung seines Ordens zu fördern. Hermann von Salza und auch noch seinen Nachfolgern ist es gelungen, mit dieser diplomatischen Rückendeckung des Kaisers in Preußen erfolgreiche Politik zu machen, während an anderen Stellen eine solche nicht gelungen ist, weil es die örtlichen Bedingungen nicht erlaubt haben.

Lit.: Kurt Forstreuter: Fragen der Mission in Preußen 1245 bis 1260, in: Zeitschrift für Ostforschung 9. 1960, S. 250-268. – Ders., Die Grün-dung des Erzbistums Preußen 1245/1246, in: Jahrbuch der Albertus-Universität/Pr. 10. 1960, S. 9-31. – Ingrid Matison: Die Lehnsexemtion des Deutschen Ordens und dessen staatsrechtliche Stellung in Preußen, in: Deutsches Archiv 21. 1965, S. 194-248. – Ernst Pitz: Papstreskript und Kaiserreskript im Mittelalter (Bibliothek des Deutschen Historischen Instittus in Rom. 36). Tübingen 1971, dazu Index in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 58. 1978, S. 345-359. – Dieter Wojtecki: Der Deutsche Orden unter Friedrich II., in: Probleme um Friedrich II. (Vorträge und Forschungen. 16). Sigmaringen 1974, S. 187-224. – Bernhart Jähnig: Die Staufer, der Deutsche Orden und Nordosteuropa, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 16. 1979 (1980), S. 123-151. – Dietmar Willoweit: Die Kulmer Handfeste und das Herrschaftsverständnis der Stauferzeit, in: Beiträge zur Geschichte Westpreußens 9. 1985, S. 5-24. – Helmuth Kluger: Hochmeister Hermann von Salza und Kaiser Friedrich II. (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens. 37). Marburg 1987. – Udo Arnold: Der Deutsche Orden zwischen Kaiser und Papst im 13. Jahr-hundert, in: Die Ritterorden zwischen geistlicher und weltlicher Macht, hg. v. Zenon Hubert Nowak (Ordines militares. 5). Toruń 1990, S. 57-70. – Ders.: Vom Feldspital zum Ritterorden. Militarisierung und Territorialisierung des Deutschen Ordens (1190-ca. 1240), in: Balticum. Studia z dziejów polityki, gospodarki i kultury XII-XVII wieku, hg. v. Zenon Hubert Nowak. Toruń 1992, S. 25-36. – Tomasz Jasiński: Złota bulla Fryderyka II dla zakonu krzyżackiego z roku rzekomo 1226 [Die Goldene Bulle Friedrichs II. für den Deutschen Orden angeblich von 1226], in: Roczniki Historyczne 60. 1994, S. 107-154. – Marc Löwener: Die Einrichtung von Verwaltungsstrukturen in Preußen durch den Deutschen Orden bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (Deutsches Historisches Institut Warschau. Quellen und Studien. 7). Wiesbaden 1998.

Foto: Friedrich II. mit seinem Falken. Aus seinem Buch De arte venandi cum avibus („Über die Kunst mit Vögeln zu jagen“), Süditalien zwischen 1258 und 1266. Città del Vaticano, Vatikanische Apostolische Bibliothek (Cod. Pal. Lat. 1071, fol. 1v) / Quelle: Von Autor unbekannt – http://www.fhaugsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost13/FridericusII/fri_arsp.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=443120

Bernhart Jähnig