Ereignis vom 1. Januar 1547

Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen

Johannes Honterus; Holzschnitt um 1550

Die Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen stellt neben dem Reformationsbüchlein von 1542* die wichtigste Rechtsgrundlage für die Reformation bei den Siebenbürger Sachsen dar. Rechtsverbindlich für deren Einführung in allen Kirchengemeinden auf dem Verwaltungsgebiet des Landstandes natio Saxonica, dem Königsboden, war ein Beschluss der Standesvertretung der Siebenbürger Sachsen, der sogenannten Nationsuniversität, vom Jahr 1550, der sich ausdrücklich auf beide Schriften berief. Die Durchführung der Reformation in der wittenbergischen Form erfolgte nicht zwangsläufig, sondern nach eingehender interner Beratung der Standesvertretung mit den eigenen Theologen und nach Rücksprache mit den Wittenberger Autoritäten. Die Kenntnis von ähnlichen Verläufen im Deutschen Reich kann als gegeben vorausgesetzt werden.

Beide Schriften sind nicht, wie die Forschung noch der Zwischenkriegszeit meinte, von dem Reformator der Siebenbürger Sachsen, dem Kronstädter Stadtpfarrer und Schulleiter Johannes Honterus (? * 1549), allein verfasst worden. Sie entstanden als Gemeinschaftswerk, unter Beratung und Mitwirkung der weltlichen Vertreter – im Fall des Reformationsbüchleins also des Stadtrats von Kronstadt, im Fall der Kirchenverordnung der weltlichen und geistlichen Mit-glieder der Nationsuniversität. Dieser Gemeinschaftscharakter sicherte der Reform auch breite Zustimmung. Für jene Siebenbürger Sachsen, die auf grundhörigen Gebieten wohnten, konnte die Kirchenordnung dank einer schon bestehenden sprachethnischen Gemeinschaftsorganisation, der Geistlichen Universität, ebenfalls Wirksamkeit erlangen. Das gemeinsame Bekenntnis aller Siebenbürger Sachsen – sie nahmen 1572 die Confessio Augustana als gültige Lehrform an – festigte in den nachfolgenden Jahrhunderten die Gruppe und sicherte ihren Bestand bis in die Gegenwart.

Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Schriften im Grundsätzlichen nicht voneinander. In der Lehre – mit Abendmahlsregelung, dem Gebrauch der Muttersprache bei Taufen und im Wortgottesdienst, Kritik an bestehenden Mißständen, Gebrauch der Sakramente – folgen sie der Wittenberger Ordnung. Die Beteiligung der städtischen Obrigkeiten an der Schulreform (die Honterus besonders eifrig vortrug und durchsetzte) wie an charitativen Aufgaben – Armen- und Krankenpflege, Waisenbetreuung – sowie an der (jährlich vorgeschriebenen) Visitation aller Gemeinden durch die zuständigen weltlichen Träger zeigt ¬indessen, dass auch eigene, aus der Tradition bewährte Wege beschritten wurden. Die libertas christiana schließlich war wie sonst bei reformierten Gemeinden üblich geregelt – die Priesterehe konnte kein Hindernis bei der Glaubensverkündung nach dem Worte Gottes, also der Bibel, sein.

Ein umfangreicher Teil der Kirchenordnung ist der Regelung und Reform der Schulen – Grund- und Gymnasialeinrichtungen – gewidmet.

Lit.: Ludwig Binder: Johannes Honterus und die Reformation im Sü¬den Siebenbürgens. In: Zwingliana 13 (1968 * 1973) S. 645 * 687. Luther und Siebenbürgen. Ausstrahlungen von Reformation und Humanismus nach Südosteuropa. Hrsg. v. Georg u. Renate Weber. Köln, Wien 1985 (Siebenbürg. Archiv. 19.)

* Erhalten ist nur die Ausgabe von 1543 (Kronstadt), die in einem Wit-tenberger Druck aus demselben Jahr mit einer Einleitung von Phi¬lipp Melanchthon erschien: Reformatio Ecclesiae Coronensis ac totius Barcensis Provinciae. Cum praefatione Philippi Melanchthon. Wit¬tem-bergae Anno MDXLIII (Nachdruck: Wien 1865).

Bild: Johannes Honterus; Holzschnitt um 1550 / Quelle: Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=616294

Krista Zach