Ereignis vom 1. Januar 1572

Konfessionsbildung in Siebenbürgen

Entstehung und theologisches Profil der ‚Formula Pii consensus‘ als heterodoxe rezeption der Wittenberger Theologie

Die Verbreitung der von Wittenberg ausgehenden Reformation seit den frühen 1520er Jahren unter den Siebenbürger Sachsen, einer seit dem Hochmittelalter als Wehrbauern, Händlern und Handwerkern angesiedelten, privilegierten Gruppe von „Teutonici/ Flandrenses/ Saxones“ in Hermannstadt gilt als bekannt. Zur Konfessionsbildung kam es – unter regionalspezifischen Sonderbedingungen – erst nach Jahrzehnten. Konfessionalisierungstendenzen in Siebenbürgen verstärkten sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die lutherisch-orthodoxe Konfessionalisierung ist aber in den geistlichen Kapiteln (Bezirken) der Superintendentur Birthälm erst um 1660 abgeschlossen worden. Die hier vorgelegte, vornehmlich theologische Analyse der 1572 politisch vom Landesfürsten István Báthory erzwungenen Rezeption der Confessio Augustana (CA) durch die Klerikersynode der Superintendentur Birthälm in der ‚Formula Pii Consensus‘ erschließt im Kontext der Gesamtentwicklung in Siebenbürgen und vor dem binnendeutschen Hintergrund folgende Neubewertung der FPC: Trotz der weitgehenden Anerkennung der Inhalte der CA 1530 (invariata) hat Superintendent Lukas Unglerus (1526-1600) bewusst alle Optionen zeitgenössischer protestantischer Abendmahlstheologie offengehalten. Ein nicht unerheblicher Anteil der zur Superintendentur zählenden Pfarrer hatten bei Melanchthon studiert, weswegen der Superintendent bewusst eine Formulierung wählte, um auch am Calvinismus orientierte Tendenzen sowie die bislang in Siebenbürgen verbreitete konfessionelle Unbestimmtheit weiterhin zu ermöglichen, also die (nach den zeitgenössischen binnendeutschen Maßstäben beurteilte) Heterodoxie zu bemänteln.

Bislang haben sich mit diesem Konsensdokument drei Forschergenerationen beschäftigt. Gegenwärtig befindet sich die Reformationsforschung zu Siebenbürgen im Umbruch: Die Untersuchungen von Zoltán Csepregi (2005) und Edit Szegedi (2017a; 2017b) überwinden die bislang übliche konfessionalistisch geprägte, einseitige Rezeption der Quellentexte.

In den Jahren nach 1519 erreichte die von Wittenberg ausgehende Reformation die Städte der ‚Saxones‘ in Siebenbürgen. Die Einflüsse veränderten die religiöse Mentalität vieler Einwohner. Gehemmt wurde die offizielle Einführung der Reformation durch die politischen Umstände innerhalb der Städte, aber auch durch die Existenzbedingungen des Königreichs Ungarn. Alle Regenten (Ludwig II. bis 1526, die Rivalen Johann Szapolyai and Ferdinand I. ab 1526) und die führenden adeligen Landespolitiker lehnten die Reformation ab. Erst ab 1542 startete eine von politischen und kirchlichen Exponenten getragene „reformatio“, die in Wittenberg auf Zustimmung stieß. Diese humanistisch geprägte Stadtreformation beinhaltete auch Schulreformen, die nach dem Vorbild Nürnbergs durchgeführt wurden. Studenten aus Städten der siebenbürgischen ‚Saxones‘ studierten in Wittenberg. Die politischen Repräsentanten der privilegierten Gruppe der ‚Saxones‘ ließen 1547 eine Kirchenordnung erarbeiten, die 1550 rechtskräftig wurde. Kurz danach traten theologische Kontroversen zutage: die in ungarischspra­chi­gen Kreisen rezipierten Konzepte aus Zürich (Melanchthon ergänzt durch Bullinger) stießen mit denen von deutschsprachigen ‚Saxones‘ rezipierten aus Wittenberg zusammen. (Bernhard 2017: 296-298) Die überwiegend von Melanchthon geprägten Theologen der ‚Saxones‘ orientierten sich an dessen Position, vor allem an der Confessio Doctrinae Saxonicarum Ecclesiarum (1553). Möglicherweise sogar eher unbeabsichtigt entwickelte sich Siebenbürgen zu einer „Pionierregion der Religionsfreiheit“ (Wien 2017). Die Option zur Verkündigungsfreiheit, welche die Landtage 1564 und 1568 beschlossen hatten, erlaubte zunächst die ungestüme Weiterentwicklung der Reformation im Sinne der schweizerischen Reformation und darüber hinaus schließlich der radikalen antitrinitarischen Unitarier. Eventuell strebte der Fürstenhof in Weißenburg danach, mithilfe dieser als Zwischenschritte gedachten Beschlüsse eine einheitlich für das ganze Territorium verbindliche unitarische Landeskirche zu errichten. Weil Fürst Johann II. Sigismund 1571 starb, ist es dazu – trotz der durchgeführten Religionsgespräche (Wien 2018) – nicht gekommen. Im Gegenteil:  Der 1571 neu gewählte katholische Fürst István Báthory (1533-1586) hatte im Fürsteneid zwar zugesichert, die erreichte konfessionelle Pluralität zu garantieren. Aber ein von ihm veranlasstes Innovationsverbot stoppte eine Weiterentwicklung. Mit weiteren gezielten Maßnahmen steuerte der Fürst einen antiunitarischen Kurs, womit er die geschwächten oder in ihrem Bestand gefährdeten anderen christlichen Glaubensgemeinschaften (außer den rumänischen Orthodoxen) stablisierte. Báthory förderte den Konfessionsbildungsprozess dieser Nicht-Unitarier. Weil die Landtagsbeschlüsse von 1564 und 1568 zur Verkündigungsfreiheit unverändert galten, entwickelte sich Siebenbürgen zur Pionierregion einer Religionsfreiheit, die dauerhaft bis ins 19. Jahrhundert formell garantiert war; allerdings war diese von politischen Konjunkturen abhängig, indem zeitweise einzelne Gruppen beeinträchtigt wurden.

Wie bereits erwähnt, wurde in den frühen 1520er Jahren die von Wittenberg ausgehende reformatorische Bewegung in Hermannstadt rezipiert. Dieser Ort war politisches und religiöses Zentrum der seit Mitte des zwölften Jahrhunderts dort als Gäste („hospites“) angesiedelten Bevölkerung. Zu den ihnen von Anfang an – auf dem Königsboden (fundus regius) – verliehenen Privilegien zählten anderem die Wahl der Pfarrer. Diese konkretisierten sich im Laufe des Spätmittelalters, als die blühenden Städte und deren selbstbewusstes Patriziat eigene Institutionen ausbildeten. Politisch war der Privilegienverband der ‚Sachsen‘ zusammengeschlossen und repräsentiert in dem Landstand, der ‚Universitas Saxonum‘: der sächsischen Nationsuniversität. Die geistlichen Kapitel der deutschen Pfarrer bildeten den Abgabenverband der ‚Geistlichen Universität‘ (Gündisch 2005) mit einem Generaldechanten als Repräsentanten. In diesem Kontext bildeten sich Voraussetzungen für die Übernahme und Durchsetzung der deutschen Reformation in Siebenbürgen aus. Allerdings versuchten der ungarische König, der Erzbischof von Gran (Esztergom) sowie der Bischof von Weißenburg (Gyula-fehérvár), die Rezeption der reformatorischen Bewegung im humanistischen Milieu des sächsisch-deutschen Patriziats Siebenbürgens zu verhindern.

Unter osmanischer Dominanz wurde Ungarn für 150 Jahre in drei Einflusszonen geteilt: West- und Nordungarn mit Pressburg (Pozsony, ung./ Bratislava, slowak.) als Krönungsstadt wurde von den Habsburgern regiert, die Mitte beherrschten die Osmanen direkt, der Osten (Siebenbürgen mit den ‚Partes adnexae‘) wurde eigenständiges, aber den Osmanen tributpflichtiges Fürstentum.

Erst diese weltpolitische Situation ermöglichte es, dass – hinter dem „osmanischen Vorhang“ – die Reformation rasch und dauerhaft in Siebenbürgen eingeführt wurde. (Fata: 2000) Die Habsburger – die wichtigsten und hartnäckigsten Vertreter der Altgläubigen – waren politisch ausgeschaltet.

Ausgehend von den sächsischen Städten schrieb die politische Repräsentanz – die Sächsische Nationsuniversität – 1550 die an Wittenberg orientierte Reformation vor. 1553 wurde Paul Wiener der erste Superintendent († 1554), der sofort auch Ordinationen vornahm. Sein Nachfolger wurde 1556-1571 Matthias Hebler, der in Wittenberg bei Melanchthon studiert hatte, dort ordiniert worden war und engen Kontakt zu den mittel- und norddeutschen Universitäten hielt. Deren Bestätigung seiner theologischen Kompetenz stärkte dessen kontroverstheologische Position bei den Religionsgesprächen beziehungsweise Disputationen in den 1560er Jahren in Siebenbürgen. Dies war bedeutsam, da der Leibarzt Giorgio Biandrata bei König Johann II. Szápolyai (1540-1571) dessen Hinwendung zur reformierten und schließlich 1568 zur antitrinitarischen Theologie veranlasste. Vor diesem Hintergrund beschloss der siebenbürgische Landtag 1564 und erneut 1568 die Verkündigungsfreiheit zu legalisieren. Das bedeutete, dass zunächst der reformierten Richtung und dann 1568 oder wohl eher 1571 auch der zwischenzeitlich im Entstehen begriffenen antitrinitarischen Bewegung eine Fortentwicklung möglich wurde. Es scheint, dass der Fürst beabsichtigte, eine Einheitsreligion für den Staat zu schaffen, indem zunächst alle Variationen protestantischen Gottesdienstes erlaubt wurden. Letztes Ziel könnte eine das Gesamtterritorium umfassende unitarische Landeskirche gewesen sein, die jedoch nie verwirklicht wurde. Im Gegenteil ermöglichten die Landtagsbeschlüsse zur Verkündigungsfreiheit sukzessive die Konfessionsbildung unterschiedlicher Gruppenidentitäten, Doktrinen und Kirchengemeinschaften. Siebenbürgen wurde in wenigen Jahren zu einer „Pionierregion der Religionsfreiheit“ in Europa: Nach dem Tod des früh verstorbenen Königs Johann II. Szápolyai hatte der siebenbürgische Landtag 1571 nicht den antitrinitarisch gesinnten Adligen Kaspar Bekes zum Fürsten gewählt, sondern auf Vorschlag des Sultans den katholischen Stephan Báthory. Dieser musste – wie oben erwähnt – den bereits erreichten theologischen Ausdifferenzierungsprozess anerkennen. Zur Stabilisierung seiner Herrschaft verfolgte Báthory allerdings einen gegen die Antitrinitarier (und Adelsopposition) gerichteten Kurs. Er erließ 1572 ein ‚Innovationsverbot‘, verhinderte weitere religiöse Transformationsprozesse und förderte die Konfessionsbildung der Nicht-Unitarier. Damit wurde die konfessionelle Vielfalt gekräftigt, und der Landtag akzeptierte 1595 jede von der Kirchen als „religio recepta“: die römisch-katholische, die lutherische, die reformierte und unitarische Konfession.

In genau dieser historischen Situation ist die ‚Formula pii consensus‘ (EKO 24, 331-356, Übersetzung bei Binder: 2015) zu verorten. Der neue Fürst verlangte von der seit annähernd 30 Jahren offiziell der Reformation zugehörigen Kirche der ‚Sachsen‘ eine klare konfessionelle Positionsbestimmung. Die ‚Sachsen‘ zählten als Anhänger der „reformatio“ (Johannes Honterus) seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Dies geschah in mehreren Schritten: 1572 forderte der Fürst Stephan Báthory die Unterzeichnung der ‚Confessio Augustana‘, was die Synode – nach Kenntnisnahme des Textes – auch beschloss. Weiterhin verlangte er einen ihm vorzulegenden Terna-Vorschlag für die Ernennung eines Superintendenten und die Vorlage einer Konsenserklärung der Geistlichen, insbesondere die Rücknahme der purifizierenden Zeremonialentscheidungen (evan­ge­lisch-reformierter Tendenz, EKO 24, 320-322 und 325). Diese Forderungen bedeuteten eine Form von fürstlicher Kirchenhoheit, die an das zeitgenössische kursächsische Konsistorialmodell erinnern. Außerdem schlug der Fürst vor, einen auswärtigen Kandidaten für das Superintendentenamt zu suchen, dessen Entlohnung mit 200 Gulden die politische ‚Universitas Nationis Saxonicae‘ erwog. Diese politische Intervention zeigt eine Konstellation auf, die eine enge Koordination der Intentionen der politischen Nationsuniversität und des fürstlichen Hofes erkennen lässt. Vermutlich versuchte die theologisch konservativ eingestellte Nationsuniversität mithilfe des aktuell auf die Fixierung der konfessionellen Verhältnisse hinarbeitenden Landesfürsten ihre Vorstellungen gegenüber den widerspenstigen und in sich zerstrittenen sächsischen Theologen Siebenbürgens durchzusetzen. Darüber hinaus legt sich die Vermutung nahe, Fürst und Standesvertretung hätten die Wahlrechtskompetenzen der Synode (oder geistlichen Universität) aufzuheben getrachtet.

Übermäßig lange war die Wahl eines Nachfolgers des am 18. September 1571 verstorbenen Superintendenten Matthias Hebler für das Stadtpfarramt Hermannstadt hinausgezögert worden. Und die zur Synode in Mediasch versammelten Geistlichen waren in zwei sich gegenüberstehende Gruppen zerfallen.

Der äußere politische Druck (und die erkennbar enge Koordination von ‚Nationsuniversität‘ und Fürstenhof) rüttelten die versammelten Mitglieder der Synode wach. Durch praktische Maßnahmen verteidigten sie ihre gefährdete Selbstständigkeit. Am 6. Mai 1572 wählte die Synode selbst einen neuen Superintendenten: Lukas Ungleich/Unglerus (1526-1600). Kirchenpolitisch bedeutsam wurde, dass ab diesem Zeitpunkt nunmehr nicht mehr der Hermannstädter Stadtpfarrer als Superintendent fungierte, der von der Nationsuniversität direkt hätte beeinflusst werden können. Seit dem Jahr 1572 wurde der Ortspfarrer von Birthälm in Personalunion Superintendent. Damit wurde von den Geistlichen der Synode eine klare kirchenpolitische Distanz zu den politischen Repräsentanten des Landstandes betont. Ziel war die Sicherung der Unabhängigkeit und altehrwürdigen kirchlichen Privilegien gegenüber den vorwiegend machtpolitischen Intentionen der strategisch denkenden politischen Standesvertretung. Diese war primär an der Aufrechterhaltung der Privilegien des Landstandes orientiert, das heißt nicht zuletzt an der Sicherung der Religionsfreiheit, welche die Wahrung des eigenen Bekenntnisstandes einschloss. Die ‚Universitas Nationis Saxonicae‘ legte insbesondere deshalb großen Wert auf das konservativ-lutherische Profil. Der nun in Birthälm residierende Superintendent Unglerus war bereits 1561 Mitglied der Delegation an die mittel- und norddeutschen Universitäten (Leipzig, Frankfurt/Oder, Rostock und Wittenberg) gewesen. Ihm wurde – mangels Alternative – die Aufgabe übertragen, die geforderte ‚Konsenserklärung‘ zu erarbeiten und mit der Zustimmung der Synode dem Fürsten vorzulegen. (Binder: 2011, 77) Am 22. Juni 1572 beschloss die Synode den Text. Der Fürst bestätigte am 4. Juli 1572 nicht nur die Wahl von Unglerus zum Superintendenten – auf Widerruf –, sondern akzeptierte auch die ‚Formula pii consensus inter pastores ecclesiarum Saxonicarum inita in publica synodo Mediensi anno 1572, die 22 Junii‘.

Die ‚Formula Pii Consensus‘ bemüht sich selbstständig nachzuweisen, dass in den deutschen Gemeinden Siebenbürgens Lehre und Kirchenbrauch auf dem Boden der Confessio Augustana stehen.

Für die Konzeption der ‚Formula Pii Consensus‘ sind also sowohl die C.A. als auch die ‚Loci Communes‘ Melanchthons (eine Ausgabe 1553 ist in der Brukenthal-Bibliothek nachgewiesen), außerdem die ‚Confessio doctrinae Saxonicarum ecclesiarum‘ (1553) und die – auf dem Reformationsbüchlein (1543) des Johannes Honterus aufruhende – ‚Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen‘ aus dem Jahre 1547 namhaft zu machen. Insofern sind nicht nur Wittenberger Einflüsse auf die FPC festzustellen, sondern über die Basler Kontakte von Honterus auch leichte Einflüsse von Oekolampad (beispielsweise im Verständnis der Schule als Pflanzstätte).

Darüber hinaus hat der Landesfürst in seiner Proposition beziehungsweise Instruktion für die Synode dezidiert und klar Erwartungen geäußert, zu welchen Themen sich die Geistlichen der Superintendentur Birthälm äußern sollten. Auf der Basis der ausdrücklich benannten altkirchlichen Bekenntnisse (Apostolicum, Nizänum und Athanasianum) sollte die Kaiser Karl V. übergebene ‚Confessio Augustana‘ als Maßstab anerkannt werden. Opponenten sollten aus dem Kirchendienst entlassen werden. Konkret erwartete der Fürst eindeutige Stellungnahmen zu kontroverstheologischen Themen (Buße, Glaube, Rechtfertigung, gute Werke, Sakramente Taufe und Abendmahl, aber auch gegen die Dreieinigkeitsleugner des „Mahometismus“), die eine deutliche Festlegung in erster Linie gegen die in Siebenbürgen einflussreichen und führenden Adligen, sowohl die Antitrinitarier als auch die Reformierten, beinhalteten.

Formal und inhaltlich parallel zur ‚Confessio doctrinae Saxonicarum ecclesiarum‘ (1553) formuliert die FPC im ersten Artikel („de doctrina“) die fundamentale Basis, dass es nur eine einzige wahre Lehre von Gott und dem ewigen Heil gebe, die nämlich in den alten Symbolen und zuletzt in der Augsburger Konfession enthalten sei. Dann folgt ein den regionalen Herausforderungen geschuldeter Einschub: Der zweite Artikel erörtert angesichts der rasanten Ausweitung des Resonanzraums der Antitrinitarier in Siebenbürgen das Thema ‚Gott und die drei Personen der Gottheit‘. Ein damit verbundener Ketzerkatalog nennt nicht nur die aus der Dogmengeschichte bekannten Personen und Richtungsbezeichnungen, sondern endet mit der namentlichen Nennung zeitgenössischer Antitrinitarier, gipfelnd in den beiden regionalen Vertretern: dem fürstlichen Leibarzt und Motor der antitrinitarischen Bewegung in Siebenbürgen Giorgio Biandrata sowie dem Klausenburger Stadtpfarrer, streitbaren antitrinitarischen Kontroverstheologen und gefürchteten Disputationsstar Franz Hertel, genannt Davidis (ungarisch Dávid Ferenc). Bereits an dieser zentralen Stelle wird die Verankerung der FPC in der antiken Tradition der altkirchlichen Symbole unterstrichen: Wesenseinheit und Dreifaltigkeit Gottes gehören zum Credo. Als Kontrastprofil im Blick auf die Unitarier wird der Satz von der Mittlerschaft Christi als „wahrer Gott und Mensch“ ausgesagt. Die scharfe Abgrenzung der FPC gegenüber den Antitriniariern formuliert präziser als die fürstliche Instruktion die theologischen Differenzen. Die FPC steht damit in direkter Kontinuität zu den als „katholisch“ bezeichneten Positionen auf dem Religionsgespräch in Weißenburg 1568, welche die Protestanten (Matthias Hebler und Peter Melius) mit der Lehre der altkirchlichen Bekenntnisse verteidigt hatten.

Ludwig Binder hat die formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen sowie die jeweiligen Differenzen zur ‚Confessio Augustana‘ und zur ‚Confessio doctrinae Saxonicarum‘ (CDS) eingehend behandelt. (Binder: 2011, 90-98)

Strukturparallel zur ‚Confessio doctrinae Saxonicarum ecclesiarum‘ und den ‚Loci communes‘ von Philipp Melanchthon werden die Artikel bezüglich der Heilsgewissheit formuliert. Es folgen die Artikel von der Sünde, der Vergebung der Sünden und der Rechtfertigung. In enger Anlehnung an C.A. 6 wurden Luthers Rechtfertigungslehre aufgegriffen und bereits die Ergebnisse der innerlutherischen Lehrstreitigkeiten festgehalten. Insbesondere in ausdrücklicher Abgrenzung gegen das Rechtfertigungsdekret des Trienter Konzils und gegenüber der „leeren Rede“ (κενοφωνίαν) des Andreas Osiander von der wesenhaften uns einwohnenden Gerechtigkeit schloss sich die FPC schließlich der Rechtfertigungslehre Melanchthons an. Prädestination und Willensfreiheit wurden gegen Mathias Flacius in melanchthonischem Sinne erörtert.

Unmittelbar darauf folgen die Aussagen zu den Sakramenten (Taufe und Abendmahl). Das Abendmahlsbekenntnis, die 1561 von Matthias Hebler verfasste und 1563 gedruckte ‚Brevis confessio de coena Domini‘, die sich an die ‚Confessio Augustana variata‘ und an den Formulierungen der späteren Ausgaben von Melanchthons ‚Loci communes‘ angeschlossen hatte, diente als Orientierung. In diesen war eine von Luthers Position der Realpräsenz modifizierte und darin auch abweichende Aussage ausgesagt worden. Zwar wurde nach Luthers Auffassung ‚in, mit und unter‘ den materiellen Zeichen (von Brot und Wein) der Leib und das Blut Christi geheimnisvoller Weise ‚ausgeteilt‘ (distribuere) und genossen. Aber Melanchthons Formulierungskunst war den oberdeutschen Theologen – wie z.B. in der ‚Confessio doctrinae Saxonicae‘ 1553 – in ihrem symbolischen Verständnis entgegengekommen. Besonders in der unter den siebenbürgisch-sächsischen Theologen rezipierten Bekenntnisschrift von 1553 formulierte Melanchthon, dass mit dem Brot und Wein, Christi Leib und Blut dargereicht werde (cum pane et vino … porrigere/ exhibere). Damit ist eine symbolisch-spiritualisierende Deutung zugestanden. Diese melanchthonisch formulierte Abendmahlstheologie, die im Donauraum eine klar erkennbare Vorstufe für die Hinwendung zum evangelisch-reformierten Abendmahlsverständnis wurde (Neuser: 1973, 57-59), ist in der FPC geschickt vermieden. Die Aussagen „cum pane et vino“ sowie „exhibere“ unterbleiben, dagegen wird der Begriff „distribuere“ wieder aufgegriffen. Damit ist ein klares Signalwort der C.A. von 1530 („distribuantur“) in den Text eingeflossen. Realpräsenz wird eindeutig als „fester Glaube“ bekannt. Allerdings lässt die Formulierung „pane et vino“ (reiner Ablativ), trotz der Auslassung des „cum“ indirekt doch auch eine melanchthonische Deutung zu, was der Mehrheit der Synodalen wohl sehr willkommen war.

Scharf wird dagegen gegen Taufverweigerung oder gegen die Täuferbewegung, die anstelle der Kindertaufe die Glaubenstaufe der bekehrten Erwachsenen fordert, polemisiert. Auffällig ist deswegen die nachdrückliche theologische Begründung der Kindertaufe: „Wir glauben nämlich, dass auch die Kinder Gott gefallen, ebenso dass in ihnen die Wirksamkeit des Glaubens vorhanden sei, auch wenn wir es nicht wahrnehmen. Der Glaube ist einzig und allein eine Gabe Gottes und menschlichen Kräften unzugänglich.“

Auf die regionalen Verhältnisse beziehen sich die Artikel über die Ehe (15), über Leben und Sitten der Kirchendiener (22), über Bestattungen (25), Feiertage (26) und Schulen (27). Einer besonderen Aufforderung des Fürsten nachkommend behandelte die FPC auch das Thema der Unsterblichkeit der Seele. Es ist bekannt, dass in Klausenburg die Unsterblichkeit der Seele auch noch in den 1580er Jahren bestritten wurde.

Schließlich ist im Umfeld des Lokalkolorits noch zu fragen, weshalb sich die Vorrede der FPC so positiv über den bereits verstorbenen Fürsten äußert. Schließlich hatte Johann II. Sigismund Szápolyai nicht nur persönlich seine Hinwendung zur antitrinitarischen Bewegung vollzogen, sondern diese auch deutlich bei den Religionsgesprächen, vor allem auch durch sein persönliches Eingreifen bei der Disputation 1569 in Großwardein gefördert und unterstützt. Allerdings beabsichtigte der neue Fürst Stephan Báthory, die weitere Ausbreitung des Unitarismus zu verhindern, womit in dieser Passage eine andere Facette der Religionspolitik angesprochen sein muss. Die positive Wertung von Johann II. Sigismund durch die FPC ist indirekt eine Stellungnahme zu den Prinzipien der Religionsfreiheit und ständischen Freiheiten/ Privilegien. Es ist dabei nämlich in Betracht zu ziehen, dass der gefürchtete „Disputationsstar“ Franz Hertel (genannt Davidis) nach den scheinbar die ungarischen Reformierten bezwingenden Disputationsrunden zwischen 1566 und 1568 schließlich auch die Gemeinden der „ecclesiae gentis Saxonicae“ von seiner Richtung zu überzeugen getrachtet hatte. Dazu hatte er dem Fürsten vorgeschlagen, auch auf ‚sächsisch‘ mit den an Wittenberg orientierten sächsischen Geistlichen Siebenbürgens – und wohl vor einem größeren Publikum – zu disputieren. Solchermaßen beabsichtigte der Klausenburger Stadtpfarrer und Hofprediger Davidis 1568, die Sachsen für seine radikale Reformation, also die unitarische Glaubensbewegung zu gewinnen. Doch ihm war diese Chance versagt geblieben, weil der Fürst dessen Antrag ablehnte. Es ist höchst wahrscheinlich, dass für Johann II. Sigismund die Privilegien des Landstandes (der Nationsuniversität) ausschlaggebend waren, und es ihm aus Gründen der (auch kirchenpolitischen) Autonomie der Nationsuniversität fern lag, in die internen Angelegenheiten einzugreifen. Hierin liegt die konkrete kirchenpolitische Bedeutung der Vorrede der FPC: Die Geistlichkeitssynode hat die kirchenpolitische Autonomie verteidigt und mittels der positiven Vorbildfunktion des verstorbenen Fürsten („qua pietate, prudentia et clementia Christiano principe“, EKO 24: 333) untermauert. Die Sicherung der Standesprivilegien war reziprok verknüpft mit der intern auf der Synode ausgehandelten, aber eben auch zwingend nach außen dokumentierten Verbindlichkeit der C.A. Dennoch besteht eine Differenz zur Situation im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555. Die Herrscher setzten in den Einzelterritorien mittels stringent und konsequent durchgeführter Visitationen ein jeweils theologisch uniformes Kirchenwesen sowie dafür zuständige Aufsichtsinstitutionen durch. In den ‚ecclesiis Saxonicis‘ dauerte es noch bis in die 1660er Jahre, bis diese Uniformität – im Sinne der lutherischen Orthodoxie – erreicht war.

Die FPC endet mit dem klaren Signal, heiliger, unverbrüchlicher Eintracht der Synodenteilnehmer. Sie werden sich bemühen, die Wahrheit wie bisher zu bekennen und kontinuierlich zu verkünden, damit Christus hier „in diesen Gegenden an der Türkengrenze sich eine wahre und heilige Kirche und ein ewiges Erbe sich sammle.“ (EKO 24: 356) Die FPC drückte die Überzeugung aus, dass die vorgelegte Konsenserklärung sowohl mit der biblischen Tradition als auch mit dem 1530 an Kaiser Karl V. überreichten Augsburgischen Bekenntnis übereinstimmte, dem, „auch unsere sächsischen Kirchen in Siebenbürgen bisher aus Gottes Gnade fest zugestimmt haben und in demselben als dem wahren Bekenntnis christlicher Lehre sie mit Gottes Hilfe beständig bis zum Ende beharren werden“. (EKO 24: 334)

Liest man die FPC – und sie wird immer wieder von den Synoden besonders im 18. Jahrhundert als Bekenntnisgrundlage genannt (Wien/Armgart: 2019) –, so müsste man davon ausgehen, dass in Siebenbürgen seit dem 16. Jahrhundert die Geistlichen der Superintendentur wackere und treue Anhänger der Confessio Augustana gewesen waren. Die Diskussionen auf den Synoden – von den 1580er bis in die Mitte der 1660er Jahre – erlauben aber andere Schlussfolgerungen. Schon das Bekenntnis von 1573 und nicht zuletzt dasjenige von 1578 kehrten zum „Normaltheologen“ Philipp Melanchthon zurück, der seit den Anfängen der humanistisch geprägten städtischen Reformation Siebenbürgens maßgebliche Autorität gewesen und geblieben war. Obwohl also die Confessio Augustana invariata als konfessionspolitisch maßgeblich bezeichnet und staatskirchenrechtlich für den Landstand der ‚Sachsen‘ entscheidend wurde – also die politische Privilegierung der Siebenbürger Sachsen in der Frühen Neuzeit nahtlos mit dem religiösen, nämlich ‚lutherischen‘ Bekenntnis konnotiert wurde, verwendeten noch über Jahrzehnte Geistliche und teilweise auch die Superintendenten (!) konkret die dehnbaren Formeln der Confessio Augustana variata (z.B. „pane et vino“) und tolerierten faktisch die Abweichung von der offiziellen Linie. Die binnenkirchlichen Kontroversen, aber auch die Vorwürfe der Nationsuniversität bezüglich der gegen die ‚Kryptocalvinisten‘ zu nachsichtigen Visitatoren lassen erkennen, dass die vorgebliche konfessionelle Homogenität, die der Landesfürst Stephan Báthory im Jahr 1572 der Synode und ihrem Superintendenten abgenötigt hatte, bei einigen Theologen und Kapiteln wenig internalisiert war.

Die inhaltliche Rückführung auf Luthers Theologie in der Formula Pii Consensus war politisch erzwungen, verschleierte aber die grundsätzlich auf Melanchthons Theologie bezogene Position, die innerhalb der Pfarrerschaft der Superintendentur Birthälm noch lange vorherrschte. Aus politischem Kalkül überdeckte die FPC sogar absichtlich die binnenkirchlich in Teilen vorhandene Heterodoxie.

 

 

Quellen: Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Vol. 24: Siebenbürgen (Das Fürstentum Siebenbürgen, Das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen), bearbeitet von Martin Armgart unter Mitwirkung von Karin Meese. Tübingen 2012. [EKO 24]. – Gerhardt Binder: Formel der frommen Übereinkunft zwischen den Pfarrern der sächsischen Gemeinden, festgesetzt in der öffentlichen Synode in Mediasch am 22. Juni 1572. In: ZfSL 38 (2015), S.197-227.

Lit.: Jan Andrea Bernhard: Konsolidierung des reformierten Bekenntnisses im Reich der Stephanskrone. Ein Beitrag zur Kommunikationsgeschichte zwischen Ungarn und der Schweiz in der frühen Neuzeit (1500-1700). Göttingen 2015, 22017. (R5AS 19). – Ludwig Binder: Theologie und Bekenntnis auf Synoden der evangelisch-sächsischen Kirche 1545-1578. In: Reformation, Pietismus, Spiritualität. Beiträge zur siebenbürgisch-sächsischen Kirchengeschichte, hrsg. von Ulrich A. Wien. Köln, Weimar, Wien 2011, S. 37-122. – Zoltán Csepregi: Die Auffassung der Reformation bei Honterus und seinen Zeitgenossen, in Ulrich A. Wien, Krista Zach (Hrsg.), Humanismus in Ungarn und Siebenbürgen. Politik, Religion und Kunst im 16. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2004, S. 1-17. (= Siebenbürgisches Archiv 37). – Márta Fata: Ungarn, das Reich der Stephanskrone, im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Multiethnizität, Land und Konfession 1500 bis 1700. Münster 2000, 139-141 und 148-152. (=Katholisches Leben und Kirche 60). – Konrad G. Gündisch: Die „Geistliche Universität“ der Sächsischen Kirchengemeinden im 15. und 16. Jahrhundert. In: Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2005, S. 105-114. (=Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 66). – Wilhelm Neuser: Melanchthons Abendmahlslehre und ihre Auswirkungen im Donauraum. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 84 (1973), S. 49-59. – Edit Szegedi: Konfessionsbildung in Klausenburg und Kronstadt: Der Anspruch der Homogenität und die heterogene Wirklichkeit, in Ulrich A. Wien/ Mihai D. Grigore (Hrsg.): Exportgut Reformation. Ihr Transfer in Kontaktzonen des 16. Jahrhunderts und die Gegenwart evangelischer Kirchen in Europa (VIEG 113) Göttingen 2017, S. 191-202, hier 193. – Edit Szegedi: Von der reformatorischen Gemeinde zur Kirche Wittenberger Prägung. Die Durchsetzung des orthodoxen Luthertums in Siebenbürgen (um 1550-1650), in Mártá Fata/ Anton Schindling (Hrsg.): Luther und die Evangelisch-Lutherischen in Ungarn und Siebenbürgen. Augsburgisches Bekenntnis, Bildung, Sprache und Nation vom 16. Jahrhundert bis 1918. Münster 2017, S. 57-90. (= rst 167). – Friedrich Teutsch: Die Geschichte der evangelischen Kirche in Siebenbürgen. Band I (1150-1699). Hermannstadt 1921. – Georg Daniel Teutsch: Die Synodalverhandlungen der Evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen im Reformationsjahrhundert. Hermannstadt 1883, S. 139-175 u. 177-191. (= Urkundenbuch der Ev. Landeskirche 2).

Bild: Evangelische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt, Stich 19. Jahrhundert.

Ulrich Andreas Wien