Ereignis vom 1. Januar 1945

Militärische Ereignisse im Osten

Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnet die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945

Nach dem Scheitern der deutschen Großoffensive in den Ardennen befand sich Deutschland zu Beginn des Jahres 1945 an allen Fronten in der Defensive. Ohne strategische Reserven und ohne ein schlüssiges Gesamtkriegskonzept, häufig bis ins Detail durch Eingriffe der Obersten Führung (Hitler) behindert, konnte die militärische Führung nur noch hinhaltenden Wider­stand mit gelegentlichen taktischen Erfolgen leisten. Die ope­rative und strategische Initiative lag beim Gegner, der nach Belieben Schwerpunkte zu setzen vermochte.

Im Osten stand die Heeresgruppe Süd südlich und nördlich der Donau im Abwehrkampf gegen die 2. und 3. Ukrainische Front. Nördlich davon bereiteten sich die Heeresgruppen A und Mitte auf die Abwehr der sowjetischen Großoffensive vor, deren Schwerpunkte aus den sowjetischen Brückenköpfen am Narev und an der Weichsel erwartet wurden. Die Heeresgrup­pen A und Mitte standen mit 82 Divisionen, Divisionskampf­grup­­pen und Brigaden auf einer Frontlänge von knapp 1.300 km. Die operativen Reserven bestanden aus 12 1/2 Pan­zer- und Panzergrenadierdivisionen, von denen aber die Hee­res­­gruppe Mit­te 2 SS-Panzerdivisionen an die Hee­res­grup­pe Süd zum Entsatzangriff auf Budapest abgeben mußte, der am 1.1.1945 begann. Schließlich befand sich noch die Heeres­gruppe Nord mit 2 Armeen und 30 Großverbänden in einem großen Kessel, dem sogenannten „Kurland-Kessel“, östlich von Windau und Libau mit einer Landfront von 280 km Länge. Hitler hatte sämtliche Anträge des Generalstabschef des Hee­res, General­oberst Guderian, zur Räumung des Kessels mit dem Argument abgelehnt, dieser binde weit stärkere sowje­ti­sche Kräfte. Damit kämpften im Osten 9 Armeekorps und eine Luft­waffendivision abseits der strategisch entscheidenden Räu­me und konnten im Krisenfall auch nicht dorthin trans­portiert werden.

Auf dem Balkan hingegen hatte die Heeresgruppe E ihre Truppen in einem hart umkämpften Rückzug aus der Ägäis, Grie­chenland, Mazedonien und Albanien zurückgezogen und zu Beginn des Jahres 1945 die Verbindung zu den deutschen Kräften in Kroatien hergestellt. Auch auf diesem Kriegs­schau­platz erwies sich der viel zu späte Rückzug der eigenen Kräfte als verhängnisvoll. Versuche des Oberbefehlshabers Süd­ost, die Räumung Bosniens zu erreichen und durch den Rückzug auf die Linie Barcs-Sisak-Fiume die Front um 200 km zu verkürzen, scheiterten an der Weigerung Hitlers, dazu seine Zustimmung zu geben.

Angesichts der überwältigenden Luftüberlegenheit der Alliierten an der Westfront bot nur noch die Ostfront Möglichkeiten, operative Erfolge zu erringen. Dies war allerdings von der Schaffung einer kampfkräftigen operativen Reserve abhängig. Von den 51 Panzer- und Panzergrenadierdivisionen des Hee­res und der Waffen-SS befanden sich am 31.12.1944 3 Panzerdivisionen, 1 Panzergrenadierdivision und 1 Panzergrena­dierbri­gade im Kurland-Kessel, während 10 Panzer- und Pan­zer­grenadierdivisionen bei der Heeresgruppe B in den Arden­nen standen. Durch die Rücknahme des Frontvorsprungs der Heeresgruppe B und die Räumung des Kurland-Kessels hätte eine operative Reserve von etwa 25 Divisionen, darunter 10 Panzer- und Panzergrenadierdivisionen für den Einsatz an der Ostfront aufgebaut werden können. Ebensowenig wurde die Konzentration der eigenen Fliegerkräfte an der Ostfront erwo­gen, wo nur 31 % aller einsatzfähigen Jäger, Zerstörer, Bom­ber, Sturzkampf- und Schlachtflugzeuge eingesetzt waren. Vor allem aber verschlang der ständige Ausbau der Flaktruppe er­hebliche Mengen von Personal und Material. Im August 1944 wies die Flaktruppe 39.523 Flakgeschütze aller Kaliber und einen Personalstamm von 1,12 Millionen Mann auf, der in anderen Bereichen wesentlich effektivere Wirkung erzielt hät­te, kurzum ein militärischer Unsinn.

Die sowjetischen Planungen für die große Winteroffensive hatten bereits im Oktober begonnen, zogen sich aber wegen der langen Nachschubwege und dem erheblichen Geräte- und Munitionsbedarf bis Anfang Januar hin. Vier sowjetische Fronten und Teile von zwei weiteren Fronten sollten die ge­samte deutsche Ostfront nördlich der Karpaten zerschlagen und den Durchbruch auf Berlin erkämpfen. Den Hauptstoß sollte Schu­kovs 1. Weißrussische Front mit 8 Armeen und 2 Panzer­ar­meen führen. Diese Kräfte sollten aus den Weichsel­brücken­köp­fen Warka und Pulawy in Richtung Posen-Berlin angreifen und die vor ihnen stehende 9. Armee zerschlagen. Südlich da­ran schloß sich die 1. Ukrainische Front (Konjev) an, die mit 8 Ar­me­en und 2 Panzerarmeen aus dem Baranov-Brückenkopf die vor ihr stehenden deutschen Kräfte, in der Hauptsache die 4. Panzerarmee sowie Teile der 17. Armee vernichten und dann nach Ober- und Niederschlesien vorsto­ßen sollte. Kon­jevs südliche Flanke wurde durch eine Armee der 4. Ukraini­schen Front gedeckt, die auf der Linie Dukla-Paß – Kaschau – Tornaj lag. Im Norden schloß die 2. Weiß­russische Front (Rokossowski) mit 7 Armeen und 1 Panzerar­mee an, die aus den Narev-Brückenköpfen Serock und Rozán Ostpreußen von Süden her umfassen und die Masse der Hee­resgruppe Mitte einschließen sollte. Die 3. Weißrussische Front mit 6 Armeen sollte entlang der Bahnlinie Gumbinnen nach Westen durch­brechen, während die 1. und 2. Baltische Front in der Hauptsache die Kräfte der Heeresgruppe Nord im Kurland-Kessel binden sollten. Jede Front wurde von einer taktischen Luftar­mee unterstützt, hinzu kam die neu aufge­stellte 18. Luftarmee, die auch über Langstreckenbomber ver­fügte. In den Angriffs­abschnitten der 1. Weißrussischen und 1. Ukrainischen Front, die zusammen über 163 Divisionen, 32.000 Geschütze und schwere Granatwerfer sowie über 6.460 Panzer und Selbstfahr­lafetten verfügten, betrug die sowjeti­sche Überlegenheit bei der Infanterie 9:1, der Artillerie 9,5:1 und der Panzerwaffe 10:1.

Die sowjetischen Angriffsoperationen im Jahr 1945 zeichne­ten sich durch extreme Tiefenstaffelung aus, wobei zunächst die motorisierten Schützendivisionen der 1. Staffel mit überle­gener Artillerie- und Panzerunterstützung den Durchbruch er­zwan­gen, während die Panzerkorps und Panzerarmeen danach den Stoß in die Tiefe führten.

Auf deutscher Seite standen die Heeresgruppe Mitte mit 35 Großverbänden auf 580 km und die Heeresgruppe A mit 31 Großverbänden auf 700 km, letztere besaß noch 932 einsatz­bereite Panzer, Jagdpanzer und Sturmgeschütze. Geplant war, den sowjetischen Hauptstoß in einer sogenannten „Groß­kampf­linie“ aufzufangen. Bei beiden Heeresgruppen hatte man im Spät­herbst 1944 eine „Großkampfzone“ mit einer Hauptkampflinie errichtet, die etwa 2 bis 3 km hinter der Front lag und un­mit­tel­­bar vor Angriffsbeginn bezogen werden sollte. Damit soll­te der Angriff des Gegners bei geringen eige­nen Verlusten zu­nächst ins Leere laufen, die Feuerwalze der so­wjetischen Ar­til­lerie sozusagen verpuffen. Angesichts der geringen Reser­ven war jedoch ein nachhaltiger Abwehrerfolg ausgeschlossen.

Die sowjetische Großoffensive zwischen der Ostsee und den Karpaten begann, zeitlich gestaffelt, am 12., 13. und 14.1. 1945. Bereits am ersten Tag wurden die Stellungen der 9. Ar­mee und der 4. Panzerarmee an allen Weichselbrückenköp­fen durchbrochen und Einbrüche bis zu 25 km Tiefe erzielt. Im Bereich der Heeresgruppe A hatte man aus Uneinigkeit über den vermutlichen Zeitpunkt des sowjetischen Angriffs ei­ne rechtzeitige Zurücknahme der Truppen versäumt, so daß die Infanterie durch das sowjetische Artilleriefeuer so hohe Verlu­ste erlitt, daß eine wirksame Verteidigung nicht mehr möglich war. Am 17.1. stießen die 3. und 6. Gardepanzerar­mee über die Pilica vor und erreichten mit ihren Angriffsspit­zen die Warthe. Lediglich der 17. Armee gelang unter hinhal­tenden Kämpfen der Rückzug auf Oberschlesien. Warschau wurde am Abend des 16.1. von den deutschen Truppen ge­räumt, während bei der Heeresgruppe Mitte jetzt die Masse der sowjetischen Panzerkräfte der 1. Weißrussischen Front zum Einsatz kamen. Die sowjetischen Panzerspitzen näherten sich rasch der Reichsgrenze, deren Verteidigung unter Um­ständen auf der teilweise befestigten „b-1/b-2 Linie“ Thorn-Kolo-Sieradz-Tschenstochau-Sucha durchführbar gewesen wäre. Vorausset­zung dafür war die rechtzeitige Freigabe des Ersatzheeres, die aber erst am 17./18.1. genehmigt wurde und so zu spät kam.

Am 19.1. erreichten Teile der 3. Garde-Panzerarmee der 1. Ukra­inischen Front die Reichsgrenze bei Namslau, und am 22.1. erkämpfte sich das 6. Garde-MechKorps einen Brücken­kopf auf dem Westufer der Oder nördlich von Steinau. Anfang Februar befand sich das oberschlesische Industriegebiet mehr oder weniger unzerstört in sowjetischem Besitz. Breslau wurde am 15.2. eingeschlossen, vermochte sich aber gegen alle so­wjetischen Angriffe bis zum 6.5. zu halten.

Anfang Februar überschritten Einheiten der 8. Stoßarmee und der 5. Gardearmee die Oder nördlich und südlich Küstrin. Po­sen fiel am 23.2., während die Reste der 9. Armee an der Oder eine Abwehrfront aufzubauen versuchten. Weiter nördlich war es den Truppen der 2. Weißrussischen Front erst nach mehr­tägigen, äußerst verlustreichen Kämpfen gelungen, die deut­sche 2. Armee zu durchstoßen, die nach Norden angesetzte 5. Garde-Panzerarmee erreichte am 25.1. Elbing und vollzog damit die Einschließung der Heeresgruppe Mitte. In Ostpreu­ßen dagegen stießen die sowjetischen Truppen der 3. Weiß­russischen Front auf heftigen, in die Tiefe gestaffelten Wider­stand. Unter schwersten Verlusten gelang der Durchbruch bei der 3. Panzerarmee erst nach 6 Kampftagen und unter Einsatz der Frontreserven. Königsberg wurde bis zum 30.1. von Nor­den und Süden her eingeschlossen, doch ein Entsatzangriff am 21.2. stellte eine Landverbindung zwischen Königsberg und Pillau her.

Angesichts der sich schon frühzeitig abzeichnenden Ein­schlie­ßung der Heeresgruppe beabsichtigte der Oberbefehlsha­ber der 4. Armee, General Hoßbach, einen Entsatzangriff Richtung Elbing zu führen, die Verbindung zu den deutschen Truppen an der unteren Weichsel herzustellen und anschlie­ßend mit der Heeresgruppe unter Räumung Ostpreußens nach Westen aus­zubrechen. Die Genehmigung für diesen Angriff erfolgte wie­derum zu spät. Erst am 26.1. traten drei Divisio­nen an, die trotz Anfangserfolgen keinen Durchbruch erzielen konnten. Darauf­hin ging die Heeresgruppe Mitte, ab dem 25.1. in Hee­res­gruppe Nord umbenannt, zur Verteidigung über, während der Abtransport der Zivilbevölkerung über See begann. Gene­ral Hoßbach wurde am 30.1. wegen des Ver­suchs, die 4. Ar­mee zu retten, von Hitler abgesetzt.

Neben den rein militärisch-operativen Erwägungen schob sich nun immer mehr als Ziel die Rettung der Zivilbevölkerung in den Vordergrund. Für ihre Evakuierung mußten so lange wie möglich See- und Landwege nach Westen offengehalten wer­den, so daß die häufig militärisch nutzlose Verteidigung be­stimmter Stellungen unter diesem Aspekt gesehen werden muß, denn am 19.2.1945 befanden sich 8.350.000 Menschen auf der Flucht. Grundsätzlich erfolgten die deutschen Opera­tionen meist zu spät und mit zu geringen Kräften. Es kam zu mehreren Angriffen mit begrenzten Zielen, wie dem Stoß von 6 Divisionen der 11. SS-Panzerarmee gegen den Rücken der sowjetischen Kräfte bei Küstrin am 16.2., der sich nach zwei Tagen festlief. Zwar wurden der Ostfront bis zum 12.2. 33 Großverbände unterschiedlicher Qualität zugeführt, doch er­gab dies keine Verstärkung, da ein Großteil der Divisionen, die seit Beginn der sowjetischen Generaloffensive im Kampf standen, ausgeblutet war und nur noch geringen Kampfwert besaß.

Auch die rechtzeitige Räumung von Danzig und Pommern wurde von der deutschen Führung versäumt, statt dessen grif­fen die sowjetischen Truppen in zwei Offensiven am 24. und 28.2. die deutschen Kräfte in Pommern an, deren Vernichtung als Voraussetzung für den sowjetischen Stoß auf Berlin galt. Die sowjetische Offensive in Pommern stieß bei Kolberg bis an die Ostsee vor und trennte die deutschen Kräfte in zwei Teile, die sich im Westen auf die Oder bei Stettin zurückzo­gen, während im Osten die Reste der 2. Armee auf Danzig und Gdingen zurückgingen. Kolberg fiel nach härtesten Kämpfen am 19.3., Gdingen am 28.3. und Danzig am 30.3. in sowjeti­sche Hände.

Die im Raum Königsberg stehende 4. Armee war inzwischen mit 4 Korps bei Heiligenbeil auf kleinsten Raum am Ufer des Frischen Haffs zusammengedrängt worden, vermochte aber diesen Brückenkopf bis zum 29.3. zu räumen und Stellungen auf der Frischen Nehrung zu beziehen. Königsberg fiel am 9.4., der Hafen Pillau, über den die Masse der Zivilisten und Soldaten abtransportiert wurde, konnte noch bis zum 25.4. ge­halten werden. Bei der am 25.1. in Heeresgruppe Mitte um­benannten Heeresgruppe A waren die 17. Armee, die 1. Ar­mee und die 4. Panzerarmee bis Ende März in wechselnden Kämp­fen auf die Görlitzer Neiße und die östlichen Sudeten bis Mährisch-Ostrau zurückgeworfen worden. An der ungarischen Front der Heeresgruppe Süd kam es hingegen zu mehreren deutschen Angriffsoperationen. Dort war am 26.12.1944 Bu­dapest von sowjetischen Truppen eingeschlossen worden. Statt nach vollzogener Einschließung nun den sofortigen Ausbruch aus der Stadt zu befehlen, ließ Hitler das IV. SS-Panzerkorps aus dem Raum Warschau nach Ungarn verlegen, um mit die­sen Kräften Budapest zu entsetzen. Durch diese Maßnahme verlor die Heeresgruppe A ihre wichtigste Reserve, während drei Entsatzversuche des IV. SS-Panzerkorps zwischen dem 1.1. und 27.1. scheiterten. Hitler verbot jedesmal einen noch möglichen Ausbruch und befahl am 12.1., als die Spitzen der 5. SS-Division „Wiking“ nur noch 21 km nördlich vor Buda­pest standen, die Einstellung des Angriffs, da er plötzlich eine Entsatzoffensive von Süden favorisierte. Dieser dritte Versuch vom 18. bis 27.1. scheiterte trotz guter Anfangserfolge an den überdehnten deutschen Flanken. Die eingeschlossenen deut­schen Kräfte, die Budapest mit allergrößter Härte ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung verteidigten, kapitulierten erst am 12.2. Versuche der Heeresgruppe Süd, Budapest zur offenen Stadt zu erklären, wurden von Hitler unterbunden. 20.000 tote Zivilisten, 32.753 zerstörte Häuser und die totale Zerstörung der Infrastruktur von Budapest waren die Folge.

Hitler ließ jedoch am 6.3. gegen jede militärische Vernunft die 6. Armee, die 6. SS-Panzerarmee, die 2. Panzerarmee und drei Divisionen der Heeresgruppe E zur Offensive gegen die Masse der 3. Ukrainischen Front antreten. Auch diese Operation scheiterte nach wenigen Tagen, und als die sowjetische Groß­of­fen­sive der 2. und 3. Ukrainischen Front am 16.3. begann, waren die abgekämpften deutschen Einheiten nicht mehr in der Lage, den sowjetischen Angriff abzuwehren. Am 29.3. über­schritt die 6. Garde-Panzerarmee die österreichische Grenze im Burgenland, Wien wurde am 14.4. von sowjeti­schen Truppen erobert. Bis zur deutschen Kapitulation am 8.5. erreichten die sowjetischen Truppen die Linie Vorau – Fürstenfeld – Feldbach – südliche Mur.

Weiter südlich bemühte sich die Heeresgruppe E, General­oberst Löhr, der seit dem 23.3. auch als Oberbefehlshaber Südost fungierte, die noch in Bosnien und Kroatien stehenden Kräfte zurückzuziehen. Insgesamt befanden sich im Raum Ju­goslawien 5 Armeekorps mit 12 Divisionen und zwei Kosa­ken-Divisionen neben einigen Verbänden in Brigadestärke. Ihnen gegenüber standen, von Norden nach Süden gesehen, die 3. Ukrainische Front, ein bulgarischer Großverband und 4 Armeen der sogenannten jugoslawischen Volksbefreiungsar­mee. Die Rücknahme der deutschen Verbände erfolgte erst nach Beginn der jugoslawischen Großoffensive am 28.3., als die 2. jugoslawische Armee das XV. Gebirgskorps im Raum Sarajevo angriff. Die Stadt wurde am 6.4. aufgegeben, die deutschen Verbände zogen sich nach Norden auf die Save zu­rück. Trotz des Großangriffs der jugoslawischen 1. und 3. Armee am 12.4. gelang dem XV. Gebirgskorps gemeinsam mit dem XXXIV. Korps und dem XV. Kosaken-Kavalleriekorps bis Ende April der geordnete Rückzug auf die Linie Novska – Barcs. Westlich davon war die jugoslawische 4. Armee am 30.3. in Richtung Bihac und Rijeka angetreten, hatte Bihac eingenommen und stieß nun weiter nach Norden vor. Bei Karlovac konnte ein drohender jugoslawischer Durchbruch auf Agram verhindert werden, während das LXXXXVII. Korps nördlich Rijeka eingeschlossen wurde. In Anbetracht der Lage befahl der Oberbefehlshaber Südost den Rückzug aller noch in Jugoslawien stehenden Kräfte. Dieser begann am 2.5. und führte die Masse der deutschen Divisio­nen bis zum 8.5. in den Raum Laibach – Celje – Agram – Varazdin. Dem LXXXXVII. Korps glückte der Durchbruch nach Norden allerdings nicht mehr und es geriet zum größten Teil in jugoslawische Gefan­genschaft. Der Versuch, durch Verhandlungen mit dem briti­schen Oberbefehlshaber im Mit­telmeerraum, Feldmarschall Alexander, die Masse der Hee­resgruppe E noch rechtzeitig zu den britischen Linien zu brin­gen, hatte nur zum Teil Erfolg. Am 8.5. befanden sich die meisten Einheiten nur noch drei Tagesmärsche von der öster­reichischen Grenze entfernt. Einige Einheiten kapitulierten, während andere sich zu den britischen Linien durchschlugen, um nicht in jugoslawische Gefangen­schaft zu geraten. Die Rückzugsbewegungen zogen sich des­halb bis zum 14.5. hin. 150.000 Mann gerieten in jugoslawi­sche Gefangenschaft, von denen dort 90.000 starben oder umgebracht wurden. Die kroatischen Streitkräfte von etwa 220.000 Mann, die vor den Briten kapituliert hatten, wurden an Tito ausgeliefert und ebenfalls zum größten Teil umgebracht oder starben in La­gern. An die Sowjets ausgeliefert wurden die Soldaten und Angehörigen des XV. Kosaken-Kavallerie­korps, von denen ein erheblicher Teil erschossen wurde, in Lagern starb oder zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde.

Im April brach im Westen die Rheinfront zusammen, im Osten bereiteten sich die Heeresgruppen Mitte und Weichsel mit der 9. Armee, der 3. und der 4. Panzerarmee entlang der Oder-Neiße-Linie auf die Abwehr der sowjetischen Offensive gegen Berlin vor. Ein früherer Ansatz auf Berlin war von Schukov abgelehnt worden, da die deutschen Kräfte in Pom­mern zu­nächst ausgeschaltet werden mußten und die sowjeti­schen Einheiten nach zweimonatigen ununterbrochenen Kämpfen schwere Verluste erlitten hatten, so daß viele Pan­zerbrigaden nur noch 15 bis 20 Panzer besaßen. Nach neueren russischen An­ga­ben, die aber möglicherweise immer noch zu niedrig liegen, verlor die Sowjetarmee in den vier Monaten des Jahres 1945 mit 13.700 Panzern 14,2 % der Gesamtverlu­ste des ganzen Krieges, bei einer durchschnittlichen täglichen Verlust­rate von 107 Panzern im Jahr 1945 gegenüber 64 Pan­zern in den Jahren 1943 und 1944.

Der sowjetische Hauptstoß wurde bei der 9. Armee vermutet, die auf 130 km 12 Divisionen zusammengefaßt hatte und eine Reserve von 3 Panzerverbänden und 2 Panzerjagdbrigaden be­saß. Die Heeresgruppe Weichsel mit der 3. Panzerarmee und der 9. Armee besaß zu Beginn der sowjetischen Offensive ge­gen Berlin noch 720 Panzer und Sturmgeschütze. Die Stellun­gen waren in einer „Großkampfzone“ auf 20 km Tiefe und ei­ner Auffangstellung angelegt. Die Artillerie der 9. Armee war in zwei Korps zusammengefaßt worden, um eine höhere Feu­erkonzentration zu erreichen.

Auf sowjetischer Seite marschierten entlang der Oder-Neiße-Front Teile der 1. und 2. Weißrussischen und der 1. Ukraini­schen Front auf, die unter anderem über 4 Panzerarmeen und 4 Luftarmeen verfügten. Den Hauptstoß sollte Schukovs 1. Weiß­russische Front mit 9 Armeen und 2 Panzerarmeen aus den Oder-Neiße Brückenköpfen führen. 68 Schützendivisio­nen und 3.100 Panzer wurden in den Angriffsabschnitten massiert, in denen bis zu 270 Geschütze und schwere Granat­werfer pro Km standen.

Der sowjetische Großangriff begann am 16.4. und scheiterte zunächst unter schweren Verlusten, da die deutschen Kräfte rechtzeitig vor Angriffsbeginn aus den vordersten Stellungen zurückgenommen wurden. Erst am Abend des dritten Tages erfolgte der sowjetische Durchbruch aus den Oder-Brücken­köpfen. Weiter südlich durchbrachen die Truppen der 1. Ukrainischen Front Konjevs die 4. Panzerarmee, worauf Konjev mit Einverständnis Stalins die 3. und 4. Gardepanzer­armee nach Norden eindrehen ließ und Berlin von Süden her einschloß, während die 2. Gardepanzerarmee Berlin von Nor­den abriegelte. Der am 21.4. einsetzende Kampf um Berlin endete am 2.5. mit der Kapitulation des LVI. Korps von Gene­ral Weidling, nachdem Adolf Hitler am 30.4. Selbstmord be­gangen hatte. Ein größerer Teil der 2. Armee, die südlich Ber­lins eingekesselt worden war, brach nach Westen durch und vereinigte sich mit der 12. Armee, die beim Entsatzan­griff auf Berlin bis nach Potsdam vorgestoßen war. Die Masse beider Armeen zog sich daraufhin nach Westen an die Elbe zurück, wo sie bis zum 7.5. in amerikanische Kriegsgefangen­schaft gelangten. Im Norden gelang der 3. Panzerarmee, die von den Truppen der 2. Weißrussischen Front bedrängt wurde, der Rückzug durch Mecklenburg auf die amerikanischen Lini­en, nachdem auch hier ein Entsatzangriff auf Berlin durch das III. SS-Panzerkorps gescheitert war.

Angesichts der zu erwartenden Kapitulation setzte sich die Heeresgruppe Mitte von Nordmähren auf die Linien der Ame­rikaner in Westböhmen ab, um der sowjetischen Gefan­gen­schaft zu entgehen. Dies gelang auch, soweit die deutschen Truppen die amerikanischen Linien bis zum 9.5. überschrit­ten. Die bedingungslose Kapitulation trat für alle Wehr­machtsteile am 9.5.1945 um 00.01 Uhr in Kraft. Die Heeres­gruppe Kur­land kapitulierte am 10.5. mit 190.000 Mann, und die Reste der „Ar­mee Ostpreußen“ von 150.000 Mann ergaben sich am 14.5. den sowjetischen Truppen im Weichseldelta. Allein zwischen dem 1. und 9.5. gelangten noch 1,5 Millionen Zivilisten und Soldaten über die westlichen Linien, 2,2 Mil­lionen Menschen wurden vom 23.1. bis 9.5. über See evakuiert. Die Zahlen über die deutschen Menschenverluste sind nach wie vor ungenau, nicht zuletzt auf Grund statistisch unzuver­lässiger Erhebungen. Für das Feldheer im Osten gibt eine Sta­tistik des Generalarztes im Oberkommando des Heeres 985.316 Gefallene und 1.281.285 Vermißte in der Zeit vom 22.6.1941 bis 31.3.1945 an. Es fehlen die Angaben für die letzten Kriegswochen. Ebenso ist unklar, wie viele der Vermißten in sowjetische Gefangenschaft geraten und dort umgekommen sind.

Lit.: Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehr­macht­­führungsstab) 1940-1945. Bd. IV. 2. Halbband, eingelei­tet und erläu­­tert von Percy Ernst Schramm, Frankfurt/M. 1961. – Horst Boog: Der strategische Bombenkrieg, in: Militärgeschichte 2/1992, S. 20-30. – Ders.: Die deutsche Luftwaffenführung 1935-1945. Stuttgart 1982. – Fried­rich Korkisch: Der strategische Luftkrieg in Europa und Asien 1944/45 (I), in: Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) 2/1985, S. 121-127. – Ders.: Der stra­tegische Luftkrieg in Europa und Asien 1944/45 (II), in: ÖMZ 3/1985, S. 203-212. – Edvin Bacon: Soviet Military Losses in World War II, in: Slavic Mili­tary Studies 4/1993, S. 613-634. – Rüdiger Overmans: 55 Mil­lio­nen Op­fer des Zweiten Weltkrieges? Zum Stand der Forschung nach mehr als 40 Jahren, in: Militärgeschichtliche Mit­teilungen (MGM) 2/1990, S. 103-123. – Heinz Magenheimer: Das Kriegsende 1945 in Europa. Letz­te Operationen und Abläufe, in: ÖMZ 3/1985, S. 189-203. – Ders.: Letzte Kampferfahrungen des deutschen Heeres an der West- und Ostfront, in: ÖMZ 4/1985, S. 317-321. – Siegbert Kreu­ter: Der Weg nach Budapest 1944/45, in ÖMZ 4/1985, S. 305-317.

Bild: Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnet die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 7. Mai 1945 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Romedio Graf von Thun-Hohenstein