Auf der Rückreise von den baltischen Prußen, die sich hartnäckig seinen Missionsbestrebungen widersetzt hatten, erlitt Adalbert von Prag am 23. April 997, einem Freitag, den Märtyrertod. Nachdem alle Bekehrungversuche gescheitert waren, hatte sich Adalbert von den Prußen abgewandt, um seine Kräfte der Mission der slawischen Liutizen zu widmen. Während einer Rast wurden Adalbert und seine Gefährten, sein Halbruder Radim-Gautentius und Begussa-Benedikt, im Schlaf überfallen, die beiden Begleiter gefesselt und er selbst niedergestochen. Ein „Götzenpriester“ namens Sicco soll Adalbert seinen Speer als erster hasserfüllt ins Herz gestoßen haben; von sieben tödlichen Stichen durchbohrt, sei Adalbert niedergesunken. „Die gottlosen Männer nun führten die beiden unbarmherzig gebundenen Brüder mit sich fort und trennten das Haupt des heiligen Mannes vom übrigen Körper,“ fahren die Lebensbeschreibungen Adalberts fort. Bereits zwei Jahre nach seinem Tod wurde der Märtyrer von Papst Silvester II. heiliggesprochen.
Nicht nur die schnell wachsende Verehrung, die man Adalbert namentlich im westslavischen Polen und Böhmen entgegen-brachte, sondern auch sein Einfluss auf Kaiser Otto III. trugen dazu bei, daß kurz nach seinem Märtyrertod das Leben des Heiligen an verschiedenen Orten niedergeschrieben wurde. Die wichtigsten Zeugnisse über seine Taten legen vor allem zwei Heiligenviten ab. Allerdings muß angesichts dieser Quellengattung der Hagiographie in Rechnung gestellt werden, dass sie im allgemeinen in recht stereotyper Form über Leben und Wirken der Heiligen berichtet. Dementsprechend sind Entscheidungen, welche Beschreibungen der Realität entsprechen und welche topischem Charakter verpflichtet sind, nicht immer zweifelsfrei zu treffen.
Die älteste Vita, die sogenannte Vita prior, entstand kurz nach dem Tod Adalberts um 988/89 im Kloster St. Bonifatius und Alexius in Rom und wird dem dortigen Mönch und späteren Abt Johannes Canaparius zugeschrieben. Auf die Informationen dieser Lebensbeschreibung griff Brun von Querfurt, der Verfasser der zweiten Adalbert-Vita, zurück. Seine Darstellung entstand im Jahr 1004 in Querfurt bei Merseburg; vier Jahre später verfaßte Brun in Polen eine zweite, kürzere Version. Bald nach Fertigstellung dieser Fassung trat Brun eben¬falls eine Missionsreise zu den Prußen an, auch er er¬litt den Märtyrertod.
Aufgrund dieser Quellen ergibt sich ein recht genaues Bild vom Leben Adalberts. Um 956 wurde er auf der Burg Libice als Sohn des Fürsten Slavnik, Haupt des nach den P*emysliden zweitmächtigsten böhmischen Geschlechts, der Slavnikiden, geboren und erhielt den Namen Vojt*ch, der soviel wie „Trost im Krieg“ bedeutet. Der Fürstensohn erhielt seine Ausbildung zwischen 972 und 981 an der Domschule des neu gegründeten Erzbistums Magdeburg und nahm bei seiner dortigen Firmung den Namen Adalbert an.
Nach seiner Rückkehr aus Sachsen hielt sich Adalbert im Umkreis des ersten Prager Bischofs, Thietmar, auf, zu dessen Nachfolger ihn die böhmischen Magnaten im Februar 983 auf der Burg Levý Hradec wählten. Danach reiste er zu Kaiser Otto II. nach Italien, der ihn auf dem Hoftag in Verona investierte. Von Erzbischof Willigis von Mainz, dem für das Prager Bistum zuständigen Metropoliten, erhielt Adalbert die Weihe.
Begegnungen mit Abt Maiolus von Cluny und Bischof Gerhard von Toul verstärkten seine asketische und auf strengste Einhaltung religiöser Ideale bedachte Lebens¬führung. Adalberts Anforderungen und Erwartungen an den böhmischen Adel und Klerus waren allzu hoch gesteckt. Seine Maßnahmen gegen die sündhaften Vergehen des Volkes riefen schnell Widerstand her-vor, so daß Adalbert seine Diözese bereits 989 verließ und in Begleitung des Radim-Gaudentius, des späteren Bischofs von Gnesen, und des Dompropstes Willico nach Rom reiste.
Dort traten die drei Gefährten in das Kloster St. Bonifatius und Alexius auf dem Aventin ein. In Rom traf Adalbert auch auf Mitglieder des sächsischen Königshauses, vor allem auf die Witwe Kaiser Ottos II., Theophano, die Adalbert mit reichlichen Geschenken bedachte.
Willigis von Mainz drang allerdings nachdrücklich auf die Rückkehr Adalberts zu seinem verwaisten Bischofsstuhl, so daß dieser nach langen Verhandlungen schlie߬lich im Jahr 992 an die Moldau zurückkehrte. Jedoch war seinem Aufenthalt dort wiederum nur recht kurze Dauer beschert. Nach der Gründung des Klosters B*evnov bei Prag und einiger herzoglicher Edikte, deren Inhalt deutlich die Handschrift des Bischofs trägt, zwangen Adalbert nur zwei Jahre später erneute Auseinandersetzungen mit dem Adel und sich abzeichnende politische Unruhen wiederum zum Verlassen der Stadt. Kurze Zeit später, Ende 995, trat der P*emyslide Boleslav II. gegen das Geschlecht der Slavnikiden an, überfiel die Burg Libice und ließ alle Angehörigen und Anhänger töten. Die Überlebenden flüchteten an den Hof des Polenherzogs Bolesław Chrobry, der auch im Leben Adalberts eine bedeutende Stellung einnehmen sollte.
Adalbert weilte währenddessen wiederum im römischen Kloster St. Bonifatius und Alexius in Rom, wo er intensiven Kontakt mit dem inzwischen zum Kaiser gekrönten Otto III. pflegte. Vertraute Gespräche, enger persönlicher Umgang bei Tag und bei Nacht zeugen von einer Freundschaft, die Kaiser und Kirchenmann verband. Vor einer Überbewertung dieser Bindung muß allerdings angesichts der Tatsache gewarnt werden, daß diese Informationen ausschließlich hagiographischen Darstellungen entspringen, die den Heiligen fast immer in mehr oder weniger stereotyper Form in die Nähe der Könige rücken.
Unbestritten ist allerdings, daß Adalbert in dieser Zeit einen starken Eindruck auf den jungen Kaiser ausübte. Dies belegt nicht zuletzt die Tatsache, daß Otto III. nach dem Tod des Heiligen intensiv zu einer Förderung des Adalbert-Kultes beitrug. Auf seinen Einfluss hin entstanden zahlreiche dem Hei-ligen gewidmete Kirchen, so zunächst in Aachen, später vor allem in Rom und Pereum. Ein beredtes Zeugnis seiner Verehrung ist schließlich die spätere Reise des Kaisers nach Gnesen, wo er am Grab Adalberts betete und von Bolesław Chrobry Reliquien des Märtyrers erhielt.
Der zweite Aufenthalt Adalberts in Rom, der ihn mit Otto III. zusammenführte, wurde allerdings wiederum durch die Intervention des Mainzer Erzbischofs Willigis beendet. Auf einer Synode im Mai 996 schenkte Papst Gregor V. schließlich der wiederholten Aufforderung des Metropoliten Gehör, Adalbert solle nach Prag zurückkehren. Der Papst gestand Adalbert allerdings zu, daß er sich, sollten die Böhmen dieser Entscheidung nicht zustimmen, einem neuen Betätigungsfeld widmen dürfe: der Heidenmission in der Slavinia.
So reiste Adalbert von Rom aus zunächst nach Deutsch¬land, wo er sich in der Umgebung Kaiser Ottos III. in Mainz aufhielt. Einer Gesandtschaft, die in Prag ermit¬teln sollte, ob die „Her¬de“ bereit sei, ihren „Hirten“ wiederum aufzunehmen, erteilte der böhmische Adel eine abschlägige Antwort. Nun konnte sich Adalbert der neuen Aufgabe, der Heidenmission, zuwenden, die er bei den slavischen Liutizen beginnen wollte.
Zunächst führte ihn sein Weg im Winter 996 über Ungarn, wo er möglicherweise das Kloster Pécsvárad gründete und Astrik-Anastatius, den späteren Erzbischof von Gran, als Abt einsetzte. Danach reiste er weiter an den Piastenhof. Der Polenherzog Bolesław Chrobry war allerdings weniger an einer Bekehrung der Liutizen interessiert, als vielmehr an der Missionierung der baltischen Prußen, auf deren Gebiet er seine aufstrebende Herrschaft auszudehnen versuchte. So stellte er Adalbert die für seine Missionsfahrt nötige Ausrüstung zur Verfügung, die ihn gemeinsam mit Radim-Gaudentius und Begussa-Bendikt in die Gebiete zwischen Weichsel und Memel führen sollte.
Zunächst erreichten die drei Gefährten Gyddanyzc (Danzig), tauften dort zahlreiche Heiden und reisten weiter. Sie gelangten vermutlich in die Kernlandschaft des Prußen-Gebietes, das Samland, das im Westen durch die Flüsse Weichsel und Nogat begrenzt wurde. „Ich bin von Geburt ein Slave namens Adalbert, dem Stande nach Mönch, dem Amt nach jetzt euer Apostel“, mit diesen Worten soll Adalbert nach der Überlieferung des Johannes Canaparius die Prußen zu bekehren versucht haben. Aller Versuche zum Trotz verweigerten sich die Heiden seinem Anliegen, so daß sich Adalbert enttäuscht auf den Weg zu den Liutizen machte, allerdings noch im Gebiet der Prußen den Tod fand. Die Stelle, an der Adal¬bert starb, ist nicht genau bekannt. Einige Quellen nennen das südliche Samland, andere verlegen sie in die Nähe des Ortes Cholinum süd¬lich von Elbing.
Ein Wanderer soll später den auf einen Speer aufgespießten Kopf des Heiligen gefunden und zum Polenherzog Bolesław Chrobry gebracht haben, der dann den Leichnam für hohe Summen auslösen und in der Marienkirche zu Gnesen bestatten ließ. Nach einem Einfall in Polen überführte der böhmische Herzog B*etislav I. 1038/39 die Gebeine Adalberts von Gnesen nach Prag und setzte sie im Veitsdom bei.
Seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert zählt Adalbert zu den wichtigsten Schutzheiligen Böhmens, Polens und Ungarns. Während seine Verehrung in Böhmen bald nachließ, nahm er in der Reihe der wichtigsten Landespatrone Polens einen umso bedeutenderen Platz ein.
Quellen: Brun von Querfurt: Vita Sancti Adalberti. Redactio lon¬gior, hg. v. Jadwiga Karwasińska (Monumenta Poloniae Historica NS 4.2), Warschau 1969, S. 3-41. – Brun von Querfurt: Vita Sancti Adalberti episcopi secunda, hg. v. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Ger¬ma¬niae Historica 4), Hannover 1841, S. 596-612. – Johannes Ca¬naparius, Vita Sancti Adalberti episcopi, hg. v. Jadwiga Karwas¬ińska (Monu¬men¬ta Poloniae Historica NS 4.1), Warschau 1962.
Lit.: Alexander Gieysztor: Sanctus et gloriosissimus Martyr Chri¬sti Adalbertus: Un État et une Église missionnaires aux Alentours de l’an Mille, in: Settimane di Studio del Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo 14 (1967), S. 611-647. – Peter Hilsch: Der Bischof von Prag und das Reich in sächsischer Zeit, in: Deut¬sches Archiv für Erforschung des Mittelalters 28 (1971), S. 1-41. – Gerard Labuda: Droga biskupa praskiego Wojciecha do Prus [Der Weg des Prager Bischofs Adalbert nach Preußen] in: Zapiski histo¬ryczne 34 (1969), S. 361-380. – Herbert Ludat: An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa, Köln/Wien 1971. – Karl Rich¬ter: Adalbert Bischof von Prag, in: Lebensbilder zur Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Karl Bosl, Bd. 1, München/Wien 1974, S. 9-26. – Heinrich Gisbert Voigt: Adalbert von Prag. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche und des Mönchtums im zehnten Jahrhundert, Westend Berlin 1898.
Bild: Siegel des Gnesener Domkapitels / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Claudia Beinhoff