Am 20. September 1620 hatten die vereinigten kaiserlichen und ligistischen Heere unter dem Oberbefehl des Grafen Buquoy und des Herzogs Maximilian von Bayern bei Gratzen die Grenze nach Böhmen überschritten, zogen nach Norden, belagerten Pilsen, um sich dann zum Marsch auf Prag zu entschließen. Das böhmische Bundesheer unter Führung von Christian von Anhalt und Graf Hohenlohe bezog befestigte Stellungen bei Rakonitz. Als sich die kaiserlich-ligistische Armeeführung nach erfolglosen Operationen jedoch entschloß, ohne weitere Verzögerung gegen Prag zu marschieren, mußte das böhmische Heer seine Stellungen räumen, um die wehrlose Hauptstadt zu schützen. Nach einem Gewaltmarsch erreichten die Böhmen in der Nacht vom 7. auf den 8. November den Weißen Berg (Bílá Hora) vor den Toren Prags, wo man den Angriff des Feindes erwarten wollte.
Der Platz war gut gewählt. Die Flanken wurden durch zwei mit Kanonen bestückte Schanzen gesichert, für weitere Befestigungsarbeiten reichte die Zeit nicht mehr. Das böhmische Bundesheer hatte den Bergrücken in seiner ganzen Breite eingenommen. Man wählte für den Kampf eine gelockerte Aufstellung mit in kleinere Abteilungen getrennten Regimentern, um die Beweglichkeit der Einheiten zu erhöhen. Tilly stand am Fuße des Weißen Berges dem rechten Flügel der Böhmen gegenüber, wobei er erhebliche Terrainschwierigkeiten in Kauf nahm. Die Kaiserlichen sollten den Feind mit massierter Kraft in seiner Front angreifen.
Das böhmische Bundesheer bestand wie das Heer der Gegner aus Söldnerverbänden unterschiedlichster Herkunft. Die Stärke des böhmischen Heeres wird mit etwa 21000 Mann angegeben, die der vereinigten kaiserlich-ligistischen Heere dürfte nur geringfügig größer gewesen sein, da sie durch Seuchen nicht unerheblich dezimiert worden waren. Die Schlacht am Weißen Berge war wohl die kürzeste des Dreißigjährigen Krieges und zugleich eine der entscheidenden. Nach kaum mehr als einer Stunde war das böhmische Heer in regelloser Flucht begriffen. Als dem König die verheerende Niederlage gemeldet wurde, wandte er sich mit seiner Familie zur Flucht über Schlesien in das niederländische Exil. Generäle und hohe Offiziere, Räte und auch eine Reihe der böhmischen Landesbeamten schlossen sich der Flucht an. In der Hektik wurde der Archivwagen mit wichtigsten Staatspapieren auf der Burg zurückgelassen. Die mit Flüchtigen überfüllte Stadt ergab sich dem Sieger widerstandslos.
Die Ursachen für die rasche und vollständige Niederlage des böhmischen Heeres gründen zum einen in der Finanzpolitik der böhmischen Stände. Aus ihrem traditionellen Selbstverständnis und einer gehörigen Portion Gruppenegoismus verweigerten die Stände die notwendigen Steuern. So mußte dem Heer kurz vor der entscheidenden Schlacht die Zahlungsunfähigkeit des Bundes eingestanden werden. Dadurch war das Heer demotiviert. Hinzu kam die Erschöpfung der Truppen durch den Gewaltmarsch am Tag zuvor. Taktische Fehler und militärische Versäumnisse trugen ein übriges zur Niederlage des Ständeheeres bei. Man hatte sich in Böhmen durch zögerliches Verhalten das Gesetz des Handelns aus der Hand nehmen lassen, da man versäumte, bereits 1618 oder 1619 eine Entscheidung herbeizuführen. Als es im Winter 1620 zur entscheidenden Auseinandersetzung kam, waren die Böhmen der katholischen Koalition bereits hoffnungslos unterlegen.
Der Krieg in Böhmen war zunächst nur eine der vielen Krisen im Reich, die sich als Folge der konfessionellen Auseinandersetzungen und der Ständekämpfe ergaben. Die Religionsfrage war nicht zuletzt immer auch mit der Frage der Macht in den Territorien und im Reich verknüpft. Die Schärfe der Auseinandersetzungen hatte dabei seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zugenommen. Allenthalben schien man die große unter konfessionspolitischen Vorzeichen geführte militärische Auseinandersetzung zu erwarten, wie die immensen Rüstungsanstrengungen der Fürsten zu Beginn des 17. Jahrhunderts sowie die Polarisierung in ein protestantisches (Union) und ein katholisches Bündnis (Liga) bezeugen.
In Böhmen schien sich die ständische Politik gegen den fürstlichen Absolutismus durchgesetzt zu haben. Bei den Verhandlungen um die Wahl Rudolfs II. hatten die Stände umfassende Zugeständnisse erlangen können. Doch trotz des Versprechens, das gemeinsame Bekenntnis der drei großen nichtkatholischen Konfessionen in Böhmen (Lutheraner, Hussiten, Böhmische Brüder), die Confessio Bohemica von 1575, zu tolerieren, befahl Rudolf unmittelbar nach seiner Wahl die Vertreibung der Böhmischen Brüder. Die Schwäche der kaiserlichen Macht nutzend, zwangen die böhmischen Stände Rudolf II. zur Unterzeichnung des berühmten Majestätsbriefes (9. Juli 1609), der den Ständen das Recht der freien Religionsausübung – katholisch oder nach dem Böhmischen Bekenntnis – gewährte. Ein ständiger Ausschuß der Stände, die „Defensoren“, sollte die Einhaltung der vertraglichen Zugeständnisse überwachen. Auch der neue böhmische König Matthias erkannte 1611 den Majestätsbrief an. Schienen die Stände die eindeutigen Gewinner zu sein, so barg der Vertrag durch unklare Formulierungen bzw. Abmachungen doch bereits den Keim für künftige Konflikte.
Diese Konflikte in Böhmen spitzten sich seit 1617 immer mehr zu. Trotz immer wieder erörterter Überlegungen, mit Hilfe des Wahlrechts einen Dynastiewechsel herbeizuführen und trotz erheblicher Bedenken gegen den als „Jesuitenzögling“ bekannten Erzherzog Ferdinand erfolgte im Juni 1617 durch den Landtag in Prag seine Wahl zum böhmischen König. Die Richtung der Politik Ferdinands verdeutlichte bereits die Zusammensetzung des zehnköpfigen Statthalterkollegiums, in das nur drei Protestanten aufgenommen wurden. Die Vertrauensleute des Kaisers, Martinitz und Slawata, waren beide erklärte Gegner des Majestätsbriefes. Zudem kam es zu Eingriffen in die ständischen und religiösen Rechte sowie in die Verwaltung der Städte. Als der Protest der Stände im März 1618 in Wien zurückgewiesen wurde, schritt man in Prag unter Führung des Grafen Thun zur Tat. Nach dem Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 setzten die Stände eine Direktorialregierung ein, die bald schon durch militärische Aktionen ihre Politik der Selbstbehauptung unterstrich. Im Mai 1619 wurde auch Mähren in die antihabsburgische Front gezwungen. Die Stände hatten sich zur „Wahrnehmung des Widerstandsrechts gegen Verletzung ihrer Privilegien“ (Schormann) am 31. Juli 1619 zu einer Schwurgemeinschaft zusammengeschlossen (Confoederatio Bohemica). Am 19. August 1619 erklärten sie König Ferdinand für abgesetzt.
Inzwischen hatte sich die Position Ferdinands erheblich verbessert. Mit Buquoy hatte er einen fähigen Befehlshaber berufen, der im Sommer 1619 die militärische Initiative ergriff. Politisch gelang es der Habsburger Diplomatie, die Kaiserwahl Ferdinands am 28. August 1619 in Frankfurt durchzusetzen. Damit rückte der böhmische Aufstand in einen Konflikt mit der Gewalt des Kaisers. Als entscheidend erwies sich, daß der Kaiser mit Spanien, der Kurie, Polen und schließlich auch Bayern zuverlässige Verbündete hatte, die den Böhmen fehlten, zumal auch Kursachsen eine prokaiserliche Linie vertrat. Die böhmischen Stände waren auf der Suche nach einem neuen König bei dem Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich V., dem Führer der protestantischen Union, fündig geworden. Die protestantischen Verbündeten waren jedoch nicht bereit, die risikoreiche pfälzische Politik zu unterstützen. So vereinbarte die Union im Juli 1620 durch französische Vermittlung mit der Liga ein Nichtangriffsabkommen im Reich. Damit war Böhmen weitgehend isoliert, und die ligistischen Truppen waren frei für ihren Einsatz in Böhmen, wo sie sich mit der kaiserlichen Armee unter Buquoy vereinigten.
Die militärische Niederlage am Weißen Berg, die das Schicksal des böhmischen Aufstandes besiegelte, hatte für Böhmen katastrophale Folgen. Der Sieger Kaiser Ferdinand nutzte die Gunst der Stunde zur Abrechnung mit den Gegnern. Das Land wurde nach Eroberungsrecht behandelt und mußte für die Bezahlung der gewaltigen Kriegskosten herangezogen werden. Die Einteilung in verschiedene Grade von (Mit-)Schuldigen (z.B. ob man aktiv an Handlungen gegen Ferdinand beteiligt gewesen war oder diese nur geduldet hatte) brachte es mit sich, daß fast die gesamte Bevölkerung mit Einbußen an Geld und Gut oder gar Schlimmerem zu rechnen hatte. Die eingeleiteten Maßnahmen betrafen neben der gerichtlichen Ahndung des Aufstandes durch Hochverratsprozesse auch militärische Aspekte durch Stationierung fremder Garnisonen und den Bau neuer Zitadellen, fiskalische durch Transferierung ungeheurer Summen und Werte in die Hände des Kaisers und seiner Anhänger sowie eine Politik der Münzverschlechterung, soziale durch die Ausschaltung oder Flucht eines Großteils des einheimischen Adels, verfassungspolitische durch Sistierung der Ständeverfassung und Einsetzung eines allein dem Kaiser verantwortlichen Statthalters und schließlich auch religionspolitische Aspekte durch die Einleitung einer gezielten „Gegenreformation“. Nicht nur die protestantischen Geistlichen wurden des Landes verwiesen; auch die protestantischen Bauern und Bürger hatten nur die Wahl, katholisch zu werden oder auszuwandern. Ebenso verließ ein Großteil der protestantischen Adelsfamilien deutscher Herkunft das Land. Insgesamt emigrierten etwa 150000 Menschen, darunter viele hochqualifizierte Handwerker. Die katholische Kirche wurde in ihren alten Besitzstand weitgehend wieder eingesetzt. Eine Anzahl vom Kaiser begünstigter und mit konfiszierten Gütern ausgestatteter Adliger sowohl aus Böhmen als auch aus allen Teilen des habsburgischen Herrschaftsgebietes bildeten eine neue kaisertreue, aber oft landesfremde Oberschicht. Im Lande hatte sich der fürstliche Absolutismus durchgesetzt. Neben dem Adel verloren auch die Städte den wesentlichen Teil ihrer politischen Rechte und Macht. Die umfangreichen Konfiskationen, die etwa zwei Drittel des Grundbesitzes betrafen, sowie die Steuern und Auslösungen führten zu Besitzumschichtungen – zu deren Nutznießern insbesondere die Jesuiten und die kaiserliche Generalität (unter ihnen Wallenstein) zählten – und in Verbund mit der Münzpolitik auch zu einer Verarmung weiter Teile des Landes.
Mit der militärischen Niederlage am Weißen Berge und der Hinrichtung von 27 Aufständischen – 3 aus dem hohen Adel (darunter Graf Schlick), 7 aus dem Ritterstand und 17 Bürgerliche deutscher und böhmischer „Nationalität“ – vor dem Altstädter Rathaus in Prag am 21. Juni 1621 endete ein Abschnitt der böhmischen Geschichte, der mit der hussitischen Revolution begonnen hatte. Neben dem Verlust poltitischer Eigenständigkeit und ständischer Freiheiten (unter denen freilich die bäuerliche Bevölkerung zu leiden gehabt hatte) ist auf einen gründlichen Wandel der Mentalitäten und der sozialen Gegebenheiten hinzuweisen. Der Weiße Berg und das Blutgericht auf dem Altstädter Ring bewirkten eine Lähmung der gesellschaftlichen Kräfte in Böhmen und lösten ein Trauma aus, das zu einem wichtigen Movens des tschechischen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert wurde. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß es bei dem Konflikt, der Böhmen und weite Teile Mitteleuropas in die Katastrophe stürzte, nicht um nationale Auseinandersetzungen, sondern um einen Stände- und Konfessionskonflikt ging. Tschechen und Deutsche waren gleichermaßen unter den Aufständischen wie unter den Opfern und Gewinnlern des Krieges vertreten.
Lit.: A. Gindely: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. 4 Bde. 1869-1880. – Ders.: Die Berichte über die Schlacht auf dem weißen Berge bei Prag, in: Archiv für österr. Geschichte 56 (1878), S. 1-180. – J. Krebs: Die Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag (8. Nov. 1620) im Zusammenhang der kriegerischen Ereignisse. 1879. – G. Schormann: Der Dreißigjährige Krieg. 1985. – G. Barudio: Der Teutsche Krieg 1618-1648. 1985. – G. Parker: Der Dreißigjährige Krieg. 1987. – F. Prinz: Böhmen und Mähren (Deutsche Geschichte im Osten Europas). 1993. – H. Schenk: Die böhmischen Länder. Ihre Geschichte, Kultur und Wissenschaft. 1993. – J. Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526-1619). 1994.
Bild: Die Schlacht am Weißen Berg, Gemälde von Pieter Snayers / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Udo Wennemuth