Ereignis vom 16. November 1348

Stadtgründung am Putziger Werk

Heinrich Dusemer

Wahrscheinlich verlieh Fürst Sambor um 1200 dem Kloster Oliva das Dorf „Puzk“ (Putzig). Oberhalb von Putzig errichtete das Kloster durch die Kurie Starsin eine Fischerstation. Erstmals wird die Kastellanei Putzig 1271 in einer Urkunde erwähnt. Die Grenzen der Kastellanei sind nicht genau bekannt. Sie dürften in etwa denen des Fischamtes Putzig zur Zeit des Deutschen Ordens entsprochen haben. Auf jeden Fall lagen die Kastellanei und der Ort Putzig an der „kleinen See“, dem „kleinen Meer“, der Putziger Wiek. Die Westgrenze hat wohl der bis 1920 gültigen Grenze zwischen den preußischen Provinzen Pommern und Westpreußen entsprochen. Es wird angenommen, daß das Dorf Putzig ähnlich wie andere Marktflecken mit deutschem Recht ausgestattet und von Lasten nach pommerellischem oder slawischem Recht befreit war.

Nach der Übernahme Danzigs und des Umlandes durch den Deutschen Orden 1309 wurde 1310/11 die Komturei Danzig geschaffen und in sechs Gebiete gegliedert. Eines davon war das Gebiet Putzig. Lauenburg und Putzig bildeten einen Gerichtsbezirk. Oberster Gerichtsherr war der Ordensvogt von Lauenburg. Die Gerichtssprache war oberdeutsch, nur wenige niederdeutsche Worte sind überliefert, dazu lateinische Texte, keine in Kaschubisch oder Polnisch. Es wurde das Fischamt Putzig eingerichtet, dem auch das 1378 mit Stadtrecht ausgestattete Hela unterstand.

Als der Deutsche Orden um das Jahr 1312 Putzig übernahm, war der Ort bereits ein Marktflecken und für die Region von Bedeutung. Die Lage am Wasser dürfte dafür ausschlaggebend gewesen sein. Es wurde neben dem alten Dorf, wie in ähnlichen Fällen, ein Grundriß – Stadtplan – abgesteckt und daneben der Burgplatz angelegt. Die Burg und die neue Siedlung bzw. die Stadt – die Ausstellung der Handfeste erfolgte am 16. November 1348 durch Hochmeister Heinrich Dusemer in der Marienburg – waren voneinander getrennt. Die Stadt hatte sich selbst zu verteidigen, sie lag im Schutzfeld der Burg und dort konnten auch Vorräte und Munition gelagert werden. Es kam vor, daß die Stadt vom Feind eingenommen wurde, während sich die Burg behauptete. Die Stadtmitte blieb unbebaut. Lediglich das Rathaus wurde dort errichtet und einige Bänke genannte Marktbuden. Das war der rechteckige Marktplatz, der wie in Thorn und anderswo Ring hieß. Die Straßen führen von der Stadtmauer im rechten Winkel gerade auf den Markt zu. Bekannt sind vier nach auswärts führende Straßen mit dem Danziger Tor im Süden, dem Mühlentor im Westen, dem Fischertor und dem zum Seestrand führenden Krabbentor. Vor dem Krabbentor befand sich die von Fischern und Bootsleuten bewohnte Krabbenstadt, eine Vorstadt von Putzig. Die Pfarrkirche wurde nördlich des Marktes errichtet und später zu einem mächtigen Bauwerk der Backsteingotik, das von See her bereits von weitem zu erkennen war und den Seeleuten zur Orientierung diente. Der Stadtbezirk Putzig war mit Blick auf seine Verteidigung – ähnlich wie andere Ordensstädte – recht klein und dementsprechend waren auch die Grund¬stücke klein, was noch 650 Jahre später erkennbar ist. In der Handfeste war das Maß festgelegt: „sybin Rutin in die Lenge und drie Rutin in dy Breite…“. Es durften lange Zeit nicht zwei Grundstücke zusammengelegt werden. Die Bürger betrieben Schiffahrt und Fischfang, auch besaßen sie das Recht der Flößerei auf der Rheda.

Das gegenüber der Stadt ältere Dorf, das Pautzker Dorf, grenzte mit einer Ecke an die Mauern des neuen Gemeinwesens und blieb bis in das 17. Jahrhundert selbständig. Der neue Landesherr wollte einen neuen Ort, eine Stadt, ohne das bestehende Dorf anzuta¬sten, stattete es aber mit demselben Recht aus wie die neue Ortschaft. Für beide war ein gemeinsames erbliches Schulzenamt zustän¬dig.

Der Fischmeister hatte die Aufsicht über die Fischerei, von der seine Amtsbezeichnung abgeleitet wurde, aber ihm unterstanden alle mit Recht ausgestatteten Ortschaften und auch die reichlich vorhandenen Wälder. Er hatte die Zinsen und andere Abgaben einzuziehen und an den Komtur in Danzig abzuführen. Auch Musterungen der zum Dienst für den Orden Verpflichteten, hatte der Fischmeister vorzunehmen. Die Ordensherr¬chaft hörte faktisch erst 1464 auf, da der Orden 1460 zurückgekehrt war.

Die Stadt und das Schloß Putzig waren seit 1454, dem Ausbruch des Städtekrieges, zunächst in der Hand des Preußischen Bundes, zu dem die Stadt gehörte. In dem darauffolgenden Jahr fand am 26. September 1455 im Remter eine wichtige Verhandlung zwischen dem Markgrafen von Brandenburg, den Räten des Königs von Polen und Vertretern des Deutschen Ordens in Gegenwart des Bischofs von Leslau statt. Der König von Polen forderte die Räumung des Landes. Wiederum ein Jahr später richtete der aus Schweden vertriebene König Carl Knutson in dem Schloß seine Residenz ein. Vorausgegangen war die Verpfändung des Putziger Gebietes einschließlich der Stadt Putzig an Danzig, das aber bald selbst in Finanznot geriet und sich gegen Verpfändung Putzigs und Umgebung vom schwedischen König 15.000 Mark leihen mußte.

Aus dem 16. und 17. Jahrhundert wird von weiteren Belagerungen und Kämpfen berichtet. So bedrängte es der Orden noch einmal 1519/1520, und 1626/1627 okkupierten die Schweden Putzig, plünderten und drangsalierten die Stadt. Die Schweden be¬riefen sich auf das König Carl Knutson 1457 übertragene Pfand. Als sie Putzig verlie¬ßen, hatte die Stadt sehr schwer gelitten, das Dorf Putzig war von den Bewohnern verlassen. Es blieb mehrere Jahrzehnte eine Wüstenei. Das Verhalten der den Schweden folgenden polnischen Truppen besiegelte den Niedergang der Stadt.

Als 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde, starb König Wladislaw von Polen und sein Bruder Kasimir wurde sein Nachfolger. Der für das Land am Unterlauf der Weichsel so schädliche Erbfolgekrieg zwischen Polen und Schweden brach erneut aus. Es ging besonders um Putzig. Die Schweden beriefen sich erneut auf 1457. Daher wurde dieser Krieg auch der „Putziger Krieg“ genannt. Während der folgenden Jahre und bis ins erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wechselten Zuständigkeiten und Garnisonen. Mal waren es Schweden, dann Danziger oder polnische Truppen, die Putzig in Besitz hatten. Am Ende dieser Zeit waren in Putzig Wälle und Mauern verfallen, Putzig hatte aufgehört, eine Festung oder Waffenplatz zu sein. Die Stadt war verarmt.

Das Schloß war ein kleiner massiver und stark unterkellerter Bau auf erhöhtem Platz. Das Vorschloß erstreckte sich bis ans Wiek. Dort befanden sich vier Wirtschaftsräume einschließlich dem Zeughaus und dazu am Schloß ein auch für Verteidigungszwecke angelegter Pferdestall. Das Schloß wurde von 1775 bis 1845 von der evangelischen Gemeinde als Kirche genutzt und anschließend zum Schulhaus umgebaut. Auf dem Schloßgelände wurden außerdem nach 1772 Gefängnisanstalten eingerichtet. Zuvor war bis 1772 der große Saal, der Remter, als Wohnraum für die Familie des Starosten, dem Vertreter des Schutzherrn, also des Königs von Polen, hergerichtet und von ihm genutzt worden.

Putzig war eine kleine Stadt, als Friedrich der Große sie 1772 übernahm. Sie hatte damals noch zwei Bürgermeister, Johannes Gottfried Wiercynski und Georgius Lau¬rentius Schmuck, die auch zusammen mit dem Stadtschreiber Michael Antonius Grunau als Putzigs Vertreter nach Marienburg zur Huldigung am 27. September 1772 reisten. Im Dezember 1772 waren in Putzig lediglich 778 Einwohner gezählt worden, 352 Männer und 426 Frauen. Es gab damals 103 Feuerstellen in der Stadt. Diese Zahl hatte sich auf 107 im Jahre 1789 erhöht. Allerdings waren davon nur 58 bebaut. Die Stadt hatte 1773/74 Schulden in Höhe von 1225 Talern, die 1785/86 bereits auf 400 Taler gesunken waren.

Die evangelische Lehre dürfte schon früh in Putzig Fuß gefaßt haben. Erstmals wird 1556 ein Prediger Andrewsen (Andreas) erwähnt, dem „am Tage Philippi“ 6 Mark ausgezahlt wurden. Sehr bald nach der Übernahme der Stadt durch Friedrich den Großen baten die Evangelischen, in Putzig eine Kirche bauen zu dürfen. Aber erst am 20. Mai 1844 konnte auf dem Gelände der ehemaligen Ordensburg der Grundstein für eine evangeli¬sche Kirche gelegt werden. Es war eine Kirche aus Ziegelsteinen in Basilikaform mit sehr schmalen Fenstern, das Dach mit Zink gedeckt. Später wurde ein Kirchturm angebaut. Die Kirche wurde 1957, an die vertriebene deutsche Bevölkerung erinnernd und als überflüssig angesehen, abgerissen, wie viele andere evangelische Gotteshäuser zur Gomulka-Zeit.

Mit der Eingliederung Pommerellens – ohne die Stadt Danzig – in das Königreich Preußen wurden in diesem Gebiet die drei landrätlichen Kreise Dirschau, Konitz und Pr. Stargard gebildet. Der gesamte nördliche Teil gehörte zum Kreis Dirschau und damit auch die Stadt Putzig. Bei Schaffung der modernen Provinz Westpreußen 1815/16 mit Danzig als Hauptstadt wurde 1818 ein Kreis Neustadt einschließlich der Stadt Putzig gebildet. Dieser Kreis gehörte zu dem damals geschaffenen Regierungs¬bezirk Danzig. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1887 wurde der Kreis Neustadt geteilt und ein Kreis Putzig aus Teilen des Kreises Neustadt gebildet. Die Stadt Putzig wurde Sitz des Landrats. Diese Regelung dauerte an, bis am 10. Januar 1920 der Versailler Vertrag in Kraft trat und der Kreis Putzig zur Republik Polen gelangte. In der Folge bildete Polen im nördlichen Pommerellen den sogenannten Seekreis, das war praktisch eine Zusammenlegung der bisherigen Landkreise Neustadt und Putzig. Für die Stadt Putzig bedeutete die Zusammenlegung der beiden Kreise den Verlust als Verwaltungsmittelpunkt. Als nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 der Reichsgau Danzig-Westpreußen gebildet wurde, blieb der Seekreis unter dem Namen Landkreis Neustadt/Westpreußen erhalten. Dieser Zustand änderte sich auch zunächst in der Nachkriegszeit nicht. Aber 1954 wurde dann doch der Landkreis Putzig wiederhergestellt. Die Stadt war erneut Verwaltungsmittelpunkt bis zur Auflösung der Kreise 1975. Putzig war Sitz eines Amtsgerichtes.

Im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens stand seit altersher die Fischerei. Bekannt ist aber, daß das Putziger Bier sehr beliebt war. Es gab mehrere Brauordnungen, die der Sicherung dieses guten Rufes dienten. Um 1900 setzte auch in Putzig als weitere Erwerbsquelle der Tourismus ein.

Im Jahre 1905 hatte Putzig 2.160 Einwohner, darunter 587 evangelische. In den darauffolgenden fünf Jahren wuchs die Zahl der Bevölkerung um rd. 17 %. Bei der Volkszählung am 1. Dezember 1910 wurden in Putzig 2.534 Einwohner festgestellt, davon waren 639 evangelisch, 1.852 katholisch und 42 jüdischen Glaubens Die jüdische Gemeinde besaß eine Synagoge. Eine Person gehörte zu einer nicht genannten Religionsgemeinschaft. Auf die Frage nach der Muttersprache gaben 1.869 Deutsch, 476 Ka¬schubisch und nur 121 Polnisch an. Der Rest, 67 Personen, sprach Deutsch und nannte zugleich eine weitere Sprache als Muttersprache, eine weitere Person gab eine ganz andere Sprache an. Im Jahre 1943 hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt und betrug 4.712.

In Putzig wurde der Mitbegründer der Nationalliberalen Partei Heinrich Rickert (1833-1902) geboren. Er war in Danzig Kommunalpolitiker, gehörte 32 Jahre dem Preußischen Abgeordnetenhaus an und war 28 Jahre Mitglied des Reichstages. Nach Einführung der Provinzialselbstverwaltung wurde er in Königsberg zum Landesdirektor der Provinz Preußen gewählt, ein Amt, das er nach der Trennung der beiden Provinzen Ostpreußen und Westpreußen 1878 aufgab. Als Sohn der Stadt zu erwähnen ist außerdem der Historiker Emil Waschinski (1872-1971), der besonders als Numismatiker bekannt wurde.

Rund 650 Jahre nach der Stadterhebung hat Putzig (poln. Puck) heute etwa 12.000 Einwohner. Es ist eine kleine Stadt geblieben. Alle Häuser überragte die alte Pfarrkirche, die von weitem zu sehen war – besonders von der „kleinen See“ und der gegenüber der Stadt befindlichen Halbinsel Hela. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Rathaus am Markt blieb, wie auch die anderen Häuser, von beiden Weltkriegen verschont.

Die wirtschaftliche Kraft ist schwer zu beurteilen. Es gibt kleinere und größere Handwerksbetriebe und zahlreiche Geschäfte, aber nicht so viele Gaststätten und Gasthöfe oder Hotels wie vor 1920 oder 1945. Das fällt auf, weil der Tourismus auch in Putzig zugenommen hat. Der Strand wird gepflegt, ein neuer Seesteg wurde gebaut und auch ein größeres Hafenbecken für Sport- und Fischerboote geschaffen.

Quellen: Pommerellisches Urkundenbuch, bearb. v. Max Perlbach, Danzig 1882. – Preußisches Urkundenbuch, Bd. 4, bearb. v. Paul Koeppen, Marburg 1960, S. 338-340, Nr. 369.

Lit.: M. Christoph Hartknoch: „Alt- und Neues Preußen“, Frankfurt und Leipzig 1684. – Franz Schultz: Geschichte der Kreise Neustadt und Putzig, Danzig 1907. – Max Bär: Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Band I/II, Leipzig 1909. – Gemeindelexikon. Heft II, Regierungsbezirk Danzig, Berlin 1912. – Gemeinde- und Wohnplatzlexikon des Reichsgaus Danzig-Westpreußen. Erster Band, Danzig 1944. – Puck und Umgebung, Gdynia o.J. (ca. 1996).

Bild: Heinrich Dusemer / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei

Hans-Jürgen Schuch