Ereignis vom 1. Januar 1349

Stadtwerdung und Stadtentwicklung von Soldau

Als Hochmeister Heinrich Dusemer unter Mitwirkung des neu-en Osteroder Komturs Günther von Honstein am 24. September 1349 zu Gilgenburg der Stadt Soldau eine Handfeste nach Kulmer Recht ausstellte, war dies nicht die Gründung einer städtischen Siedlung unterhalb des Zusammenflusses von Skottau und Neide, sondern bezeichnet – ähnlich wie bei an-deren Städten – den Endpunkt der Stadtwerdung einer Siedlung, die von nun an dauerhaft als Stadt bestehen blieb. Nach chronikalischer Nachricht reichen Soldaus Anfänge noch in die späte Landmeisterzeit zurück, denn für das Jahr 1306 ist bereits von einer Grenzfeste dieses Namens die Rede. Das werdende Pflegeamt Soldau, das seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Vogtei bezeichnet wurde, machte den äußersten Süden der alten Komturei Christburg aus. Unter deren langjährigem Komtur, dem späteren Hochmeister Luther Her-zog von Braunschweig, machte die Besiedlung so große Fort-schritte, dass die südliche Hälfte mit dem Land Sassen um 1340 auf Dauer als eigene Komturei mit Sitz in Osterode verselbständigt wurde. Die Erschließung dieser Landschaft ging weiter, so dass bald die Gründung von Kleinstädten geplant werden konnte, die als Mittelpunkte für kleinere Räume dienen sollten. So stellte der Hochmeister Ludolf König unter Mitwirkung des Osteroder Komturs Heinrich Meicz am 14. August 1344 eine Urkunde aus, mit der dem Nikolaus von Carbow als Lokator, der seinem Herkunftsnamen nach zu urteilen aus dem westlich benachbarten Kulmer Land kam, 30 Hufen zur Anlage der Stadt Soldau nach Kulmer Recht gegeben wurden. Den Bürgern der werdenden Stadt wurden zwölf Freijahre gewährt, also eine Steuererleichterung, wie sie unter vergleichbaren Umständen noch heute üblich ist. Dieser Stadtgründungsversuch war offensichtlich zu früh.

Fünf Jahre später, als unter Heinrich Dusemer die Siedlungs-bewegung im Süden der Osteroder Komturei ihren Höhepunkt erreichte, war es nötig, die oben angeführte Urkunde von 1349 neu auszustellen, ohne dass auf die ältere Urkunde Bezug genommen wurde. Der Misserfolg des ersten Versuchs ist auch daran zu erkennen, dass den Bürgern erneut zwölf Freijahre gewährt werden müssen, weil offenbar noch kein nennenswertes städtisches Leben zu Füßen der Ordensburg Soldau entstanden war. Auch das seit dem späten 14. Jahrhundert über-lieferte Siegel der Stadt macht deutlich, dass die eigentliche Stadtgründung erst mit Komtur Günther von Honstein zu tun hat, der 1349 dieses Amt übernahm, denn das Siegelbild zeigt außerhalb eines gotischen Portals zweimal den geschachten honsteinischen Wappenschild sowie im Portal die heilige Katharina als Lieblingsheilige dieses Komturs. Vermutlich hatte auch die Soldauer Stadtkirche das Patrozinium dieser Heiligen. Die ältere Geschichtsschreibung hat teilweise die Urkunde von 1344 für die Stadtgründungsurkunde gehalten, weil sie diese isoliert betrachtet und nicht in die tatsächlichen historischen Zusammenhänge gestellt hat.

Soldau war eine der wenigen Städte des Ordenslandes Preußen, die mit der Gründung keine Stadtfreiheit für die Anlage eines Stadtdorfes bekommen hatten. Das lässt den Schluss zu, dass bei der Stadtgründung nicht alles nach Plan gelaufen ist. Daher musste eines der benachbarten Hufenzinsdörfer, nämlich das östlich gelegene Kyschienen, wenigstens teilweise Ersatzfunktionen übernehmen. Dazu gehörte, weil in den 30 Hufen der Stadt keine Pfarrhufen enthalten waren, dass zur Unterhaltung der Geistlichen an der Stadtpfarrkirche in diesem Dorf sechs Pfarrhufen verschrieben wurden. Die Stadthandfeste von 1349 nennt außer der Stadtfreiheit von 30 Hufen, die im Vergleich zu der von anderen Städten klein war, nur noch die Plätze, auf denen die Stadt selbst und davor das Badehaus errichtet wer-den sollten sowie drei Wiesenhufen und zwei Hufen in einem benachbarten Bruch. Der Schulze erhielt drei Hufen. Bedeutendere Erweiterungen dieses städtischen Gebietes erfolgten im 15. Jahrhundert. Außer 17 Hufen in Richtung Borchersdorf sind vor allem 20 Hufen in Priom zu nennen, die zur Zeit von Herzog Albrecht gegen den “Hegewald”, den neuzeitlichen Stadtwald, eingetauscht wurden.

Die Stadt wurde westlich der Burg mit den üblichen parallel bzw. rechtwinklig zueinander gehenden Straßen angelegt, je-doch so, dass in Anlehnung an den Fluss die Außenbefestigungen der Burg und die Straßen von Nordwest nach Südost bzw. Nordost nach Südwest verlaufen. In der Mitte des Stadtgrund-risses wurde der Markt mit dem Rathaus angelegt, die Stadt-pfarrkirche westlich versetzt. Es gab zwei Stadttore, im Nordwesten Richtung Gilgenburg, im Südwesten zur Landesgrenze. Der Zugang zur Burg erfolgte über einen Graben, der die nord-östliche Begrenzung der Stadt bildete, die hinsichtlich der Burg die Funktion einer zweiten Vorburg hatte. Wie in anderen Ordensstädten auch wurden die Einnahmen aus Marktzins, Buden und Badehaus zwischen dem Landesherrn, dem Schulzen und der Stadt geteilt. Aus späteren Quellen ist zu erschließen, dass die Stadt von ihren Anfängen an aus 83 “Erben” bestand, für die später einmal der Begriff “Großbürgerhäuser” verwandt wurde. Soldau gehörte zu der großen Gruppe von Ordensstädten im mittleren Teil des Preußenlandes, deren Hausgrundstücke die kleinere Breite von 2 Ruten (8,65 m) hatten. Da aus der Ordenszeit keine Quellen überliefert sind, aus denen hervorgeht, wie stark die Stadt besetzt war, ist zu vermuten, dass die Kriege des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts dazu geführt haben, dass sich die Zahl der Hausbesitzer bedeutend vermindert hat, denn für das 16. und 17. Jahrhundert sind nur wenig mehr als 60 “Erben” besetzt, also etwa drei Viertel. Neben den großen Hausgrundstücken gab es genügend Raum für Kleinbürger, die sogenannten Büdner. Deren Zahl vermehrte sich von 1540 bis 1693 von 44 auf 75, für den Vorstadtbereich werden meist weitere 27 angegeben. Aber auch von diesen Stellen waren nicht alle besetzt. Soldau gehörte zu den Städten, an denen der wirtschaftliche Aufschwung des 16. Jahrhunderts vorüber gegangen ist. Immerhin ist das Ergebnis des baulichen Zustandes der Häuser nicht ganz ungünstig, wenn es 1691/93 heißt, dass die Häuser in der Mehrzahl zwei Geschosse, wenn auch nur eine “Stube” hätten. Sie seien zwar lediglich mit Stroh gedeckt, jedoch hätten sie alle Schornsteine, wobei wohl wie bei einigen anderen Städten gemauerte Schornsteine gemeint sind. Für Soldau gibt es erst vom späten 18. Jahrhundert eine weitere Nachricht über die Anzahl der Bewohner. Danach war die Stadt wieder vollständig besetzt, wenn um 1782 für eine mit amtlicher Unterstützung bearbeitete “Topographie” 83 Großbürger- und Mälzenbräuerhäuser ermittelt wurden. Einschließlich der beiden Vorstädte wird die Feuerstellenzahl mit 264 angegeben, die Einwohnerzahl auf etwa 2000 geschätzt.

Soldau ist als regionales Unterzentrum entstanden, wie man heute vielleicht sagen würde. Dazu gehörte, dass zunächst noch in der ungeteilten Komturei Christburg, dann in der verselbständigten Komturei Osterode in Soldau eine kleine Ordensburg errichtet und unterhalten wurde, in der ein sog. unselbständiger Gebietiger seinen Sitz hatte. Das war ein Ordensritter aus dem Osteroder Konvent im Range unter dem Komtur (dem selbständigen Gebietiger), der in Soldau die längste Zeit über als Vogt bezeichnet wurde. Bei der Burg handelte es sich um eine kleinere Dreiflügelanlage mit etwa 46 m Seitenlänge, die zur Vorburg und Stadt hin offen war. Nur ein Graben trennten Burg und Stadt. Nach dem Zweiten Thorner Frieden 1466 verblieb die alte Komturei Osterode mit dem Soldauer Gebiet beim Deutschen Orden. Ob die Soldauer Vögte dieser späten Ordenszeit noch zum Osteroder Konvent gehörten, ist angesichts der noch nicht genügend erforschten Verfassungsverhältnisse dieser Zeit unklar. Nach der Säkularisierung des dem Deutschen Orden verbliebenen Teils des Preußenlandes (1525) wurde die Vogtei Soldau eines der rund 40 Hauptämter des Herzogtums Preußen. Soldau wurde damit Sitz eines adligen Amtshauptmannes, wobei das Hauptamt Soldau die längste Zeit über mit dem benachbarten Hauptamt Neidenburg in Personalunion verbunden war.

Soldau verdankte außer dieser Rolle als Verwaltungssitz auch seiner Lage an einer alten Straße von Königsberg nach War-schau eine gewisse Bedeutung. Die grenznahe Lage hat immer wieder zu Zerstörungen geführt, besonders im 15. und 17. Jahrhundert sowie 1914 und 1945. Wie in vielen Städten hat es auch in Soldau immer wieder Stadtbrände gegeben. Ende des 18. Jahrhunderts hatte ein solcher so verheerende Folgen, dass beim Wiederaufbau der Stadtplan verändert wurde. 1794/96 wurde die Pfarrkirche auf der Grundlage der Reste aus dem 14. Jahrhundert neu errichtet, während gleichzeitig das Rathaus im Pseudo-Renaissancestil erneuert wurde. Im 19. Jahrhundert war Soldau Sitz eines Amtsgerichts und gehörte zum Kreis Neidenburg, 1910 betrug die offizielle Einwohnerzahl 4728. 1880 wurde Soldau Kreuzungspunkt mehrerer Bahnlinien. Die Strecke aus Königsberg über Allenstein-Neidenburg traf auf die Hauptlinie Warschau-Mlawa-Marienburg. Schließlich kam eine Nebenlinie nach Strasburg hinzu. Die vom neuen polnischen Staat geforderte Bahnverbindung Warschau-Mlawa-Soldau-Thorn hat schließlich dazu geführt, dass Soldau mit dem südwestlichen Teil des Kreises Neidenburg 1920 ohne Volks-abstimmung gegen den mehrheitlichen Willen seiner Bevölkerung an Polen abgetreten werden musste.

Lit.: Karl Kasiske: Die Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens im östlichen Preußen bis zum Jahre 1410. Königsberg i. Pr. 1934. – Otto Gunia: Die Gründungsprivilegien der Städte in dem Gebiet der Komturei Osterode. Phil. Diss. Berlin 1936; 2., erw. Aufl. Bremerhaven 1987/1994. – Fritz Gause: Geschichte des Amtes und der Stadt Soldau. Marburg/Lahn 1958. – Kinya Abe: Die Komturei Osterode des Deutschen Ordens in Preußen 1341-1525. Köln, Berlin 1972. – Thomas Lewerenz: Die Größenentwicklung der Kleinstädte in Ost- und West-preußen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Marburg/Lahn 1976. – Wilhelm Krimpenfort: Der Grundbesitz der Landstädte des Herzogtums Preußen. Marburg/Lahn 1979.

Bild: Wappen von / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Bernhart Jähnig