Ereignis vom 1. Januar 1838

Wiederbegründung der Provinzen West- und Ostpreussen

Gebietszuwächse des Preußenlandes im 18. Jahrhundert

Die Verordnung über die verbesserte Einrichtung der Provinz­behörden vom 30. April 1815 (Text: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1815, No. 9, S. 85 ff.) teilte in § 1 Abs. 1 das preußische Staatsgebiet in 10 Provinzen (mit 25 Regierungsbezirken) ein: West- und Ostpreußen (1824/29 – 1878 vereinigt zur Provinz Preußen), Posen, Pommern, Schlesien, Brandenburg, Sachsen, Westfalen, Niederrhein, Jülich-Kleve-Berg (die beiden letzteren 1822/30 vereinigt zur Rheinprovinz). Damit wurden die Provinzen formal zu verwaltungsrechtlich verankerten administrativen Einheiten mit weitgehend identischem Behördenaufbau auf Kreis-, Regierungs- und Provinzebene. Bei der Grenzziehung wurde darauf geachtet, dem Stammesgefüge und den landsmannschaftlichen Eigenheiten Rechnung zu tragen. An die Spitze der Provinzen wurden Ober­präsidenten gestellt.

Heinrich Theodor von Schön wurde 1816 auf den Posten eines Oberpräsidenten der neugebildeten Provinz Westpreußen berufen. Er regte seit 1815 regelmäßig die Vereinigung Ost- und Westpreußens zu einer Provinz an. Dafür mitbestimmend war seine tiefe Verwurzelung im Boden und Leben Ostpreußens sowie die Überzeugung, daß der Aufbau der engeren Heimat, der seit 1815 nicht recht voranzukommen schien, unter seiner eigenen Leitung am besten gewährleistet sein würde. Sein Wunsch fand 1824 Erfüllung. Hans-Jacob von Auerswald, der seit 1815 als Oberpräsident an der Spitze Ostpreußens stand, nahm seinen Abschied, so daß die beiden Oberpräsidien von Ost- und Westpreußen in Schöns Hand vereinigt werden konnten. Die Schaffung der „Provinz Preußen“ durch Kabinettsorder vom 3. Dezember 1829 (nicht veröffentlicht) erhob diese Personalunion zu einem Dauerzustand, der ein halbes Jahrhundert währte. Schön selbst leitete das alte Ordensland 18 Jahre und machte sich um seinen Aufbau verdient.

Im Jahre 1878 wurde die über fünfzig Jahre alte Vereinigung Ost- und Westpreußens wieder gelöst und man erhob Westpreußen und Ostpreußen zu einer eigenen Provinz, deren Oberpräsidien in Danzig und Königsberg lagen. Leopold von Winter, von 1863 bis 1890 Oberbürgermeister von Danzig, zuvor Polizeipräsident von Breslau, hatte sich maßgeblich für die Schaffung der selbständigen Provinz Westpreußen eingesetzt. Daß Westpreußen 1878 verwaltungsmäßig von Ostpreußen getrennt wurde und eine eigene Provinz bildete, war zum einen darauf zurückzuführen, daß Danzig Provinzialhauptstadt werden und nicht hinter Königsberg zurückzustehen wollte. Neben dem Streben des wirtschaftlich erstarkenden Danzig, Provinzialhauptstadt zu werden, war für die Trennung auch der Wunsch maßgebend, durch Schaffung einer eigenen Verwaltung den spezifischen Problemen Westpreußens zu begegnen. So gab es in Westpreußen seit jeher eine polnische Minderheit, die mit dem Anwachsen des Nationalismus im polnischen Volk Sorgen bereitete. Ferner lagen die Probleme der kommunalen Einrichtungen, die wirtschaftlichen Interessen und die Verkehrsverhältnisse in Westpreußen anders als in Ostpreußen. Unter diesem Gesichtspunkt setzte dann auch bald eine ganz besondere Fürsorge der Staatsregierung für die neue Provinz ein.

Die rechtliche Umsetzung der Teilung der Provinz Preußen erfolgte mit der „Verordnung über die Bildung der Provinzen Westpreußen und Ostpreußen“ vom 19. März 1877 (Text: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1877, S. 107 f.; Gornig, Gilbert, Das Nördliche Ostpreußen, 2. Aufl. 1996, Dokument V.1., S. 286 f.). Die Provinz Westpreußen war in zwei Regierungsbezirke eingeteilt, nämlich Danzig und Marienwerder, sowie in die Kreise Berent, Briesen, Deutsch Krone, Dirschau, Elbing, Flatow, Graudenz, Höhe, Karthaus, Konitz, Kulm, Löbau, Marienburg, Marienwerder, Neustadt, Niederung, Preußisch Stargard, Putzig, Rosenberg, Schlochau, Schwetz, Strasburg, Stuhm, Thorn, Tuchel. Die Provinz Ostpreußen hatte damals die beiden Regierungsbezirke Königsberg und Gumbinnen (Allenstein kam erst am 1. November 1905 dazu). Die Kreise Ostpreußens lauteten Allenstein, Angerburg, Bartenstein, Braunsberg, Darkehmen, Fischhausen, Gerdauen, Goldap, Gumbinnen, Heiligenbeil, Heilsberg, Heydekrug, Insterburg, Johannisburg, Königsberg, Labiau, Lötzen, Lyck, Memel, Mohrungen, Neidenburg, Niederung, Oletzko, Ortelsburg, Osterode, Pillkallen, Preußisch Eylau, Preußisch Holland, Ragnit, Rössel, Rastenburg, Sensburg, Stallupönen, Tilsit und Wehlau. Die Einrichtung der erforderlichen Behörden für die Staatsverwaltung in den beiden neu gebildeten Provinzen erfolgte gemäß § 2 der Verordnung durch gesetzliche Bestimmungen unter Berücksichtigung der Festsetzungen im „Staatshaushalts-Etat“. Jede der Provinzen bildete einen mit den Rechten einer Korporation ausgestatteten Kommunalverband, der nach Maßgabe der Vorschriften der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (Gesetz-Sammlung, S. 335) seine Angelegenheiten selbst verwalten konnte. Die Zahl der Mitglieder der Vertretungen (Provinziallandtage) der neu gebildeten Provinzen bestimmte sich nach den in § 10 der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 für die Provinz Preußen gegebenen Vorschriften. Die Teilung der Provinz Preußen trat mit dem 1. April 1878 in Kraft. Von diesem Zeitpunkt ab gingen die Rechte und Pflichten des bisherigen Provinzialverbandes von Preußen auf die neuen Provinzialverbände von West- und Ostpreußen über, und zwar nach näherer Bestimmung eines Übereinkommens, das, unbeschadet aller Privatrechte Dritter, mit Genehmigung des Staatsministeriums zwischen den Vertretern Westpreußens einerseits und den Vertretern Ostpreußens andererseits getroffen wurde. Bis zur Umsetzung der bewirkten Auseinandersetzung und bis zur Einrichtung der entsprechenden Organe für die kommunale Verwaltung der neuen Provinzen West- und Ostpreußen blieben die bisherigen kommunalen Organe der Provinz Preußen für die beiden neuen Provinzen zuständig. So behielten die Mitglieder des Provinziallandtages der Provinz Preußen bis zum Ablauf ihrer Wahlperiode (§ 19 der Provinzialordnung) dergestalt Sitz und Stimme, daß die Abgeordneten der zu den Regierungsbezirken Danzig und Marienwerder gehörigen Kreise die Vertretung der Provinz Westpreußen, die Abgeordneten der zu den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen gehörigen Kreise die Vertretung der Provinz Ostpreußen bildeten.

Lit.: Fritz Gause: Geschichte des Preußenlandes, 1966. – Gilbert Gornig: Das Nördliche Ostpreußen, 2. Aufl. 1996. – Gilbert Gornig: Territoriale Entwicklung und Untergang Preußens, 2000. – Ludwig von Rönne/Philipp Zorn: Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. II, 5. Aufl. 1906, S. 302 ff. – Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens, 7. Aufl. 1987.

Bild: Gebietszuwächse des Preußenlandes im 18. Jahrhundert / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei

Gilbert Gornig (OGT 2003, 321)