Ereignis vom 1. Januar 1175

Zisterzienserabtei Leubus

Kloster Leubus von Nordwesten, um 1900

Im Jahre 1175 bestätigte Herzog Boleslaus I. von Schlesien auf der Burg Gröditzberg mit Zustimmung des polnischen Seniorherzogs Miesko Stary und des Bischofs von Breslau die Gründung des Klosters Leubus, dessen Mönche er aus der Abtei Pforta an der Saale berufen und „in antiqui castri sinu super fluminis Odere fluenta“ (im Gelände einer alten Burg über den Wassern der Oder) angesiedelt hatte. Der Fundator und seine Barone statteten die Stiftung reich mit Gütern, Zinsen und Zöllen aus, und der Fürst erlaubte den Ordensleuten, auf ihren Besitzungen Deutsche nach dem Recht ihrer Heimat anzusiedeln. Es ist die erste Erwähnung deutscher Kolonisten im Lande an der Oder. 1175 ist aber nur das Jahr der offiziellen Bestätigung der Klostergründung, denn in der Regel gingen der feierlichen Einführung der Mönche mehrere Jahre der Vorbereitung voraus: es mussten alle Gebäude errichtet werden, um beim Einzug des Konvents sofort die Feier des regulären Gottesdienstes aufnehmen zu können, und die Erfüllung dieser Bedingung wurde von zwei Äbten überprüft, die darüber nach Citeaux berichteten, bevor das Generalkapitel seine Zustimmung erteilte.

Die erste Ankunft von Zisterziensern in Leubus erfolgte wahrscheinlich schon 1163. Denn in diesem Jahre führte Friedrich Barbarossa Boleslaus I. und seine Brüder nach 17jähriger Verbannung, die sie in Thüringen verbracht hatten, nach Schlesien zurück. In der Zeit des Exils hatte der junge Piast in Deutschland den Reformorden von Citeaux kennengelernt und von Altenburg aus, wo seine Familie das Brot der Verbannung aß, oft die Abtei Pforta bei Naumburg besucht und dauerhafte Kontakte geschlossen. Es ist anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr nach Schlesien schon 1163 Mönche von Pforta in seinem Gefolge mit sich führte, die die Bedingungen zur Über-gabe von Leubus an den Orden der Zisterzienser sicherstellen mussten.

Es war keine „terra incognita“, auf der der Herzog die grauen Mönche ansiedelte. Die monastische Vergangenheit von Leu-bus reicht nämlich viel weiter zurück. Um 1035 wurde Herzog Kasimir I., ein Neffe des Kaisers Otto III., mit seiner Mutter, der Pfalzgräfin Richeza von Aachen, aus dem Lande vertrieben. Richeza wurde nach ihrem Tode im Kölner Dom bestattet. Kasimir ging nach Cluny, wo er dem abendländischen Mönchtum begegnete und begriff, welche Hilfe es bei der Missionierung eines Landes leisten konnte, dessen Bevölkerung 70 Jahre nach der Taufe des Herzogs Miesko immer noch von heidnischen Traditionen befangen war. Um 1050 kehrte er als „Casimirus monachus“ aus dem Exil zurück und unterwarf die heidnische Opposition. Er stellte die polnischen Bistümer wie-der her, und um den christlichen Glauben auch außerhalb der fürstlichen und kirchlichen Zentren auszubreiten, stiftete er für jede der vier Diözesen auf dem flachen Lande und im Schutz eines Burgwalls ein Missionskloster der Benediktiner, nämlich für Krakau die Abtei Tyniec, für Posen Lubin, für Gnesen Mogilno und für Breslau Leubus an der Oder. Nach dem Bericht der „Versus Lubenses“ darf man annehmen, dass die Gründung von Leubus im Jahre 1051 erfolgte. Der mittelalterliche Verfasser der Verse berichtet, dass die Benediktiner die heidnischen Altäre zerstörten, ein Gotteshaus errichteten und dem Volke die Botschaft des Evangeliums verkündeten. Leubus war das erste Kloster, das die Mönche in Schlesien besiedelten.

Aber es war auch das einzige, das Boleslaus I. 1163/1175 dem Reformorden der Zisterzienser übertragen konnte, denn nach dem in Polen geltenden Eigenkirchenrecht durfte der Fundator einer Kirche oder eines Klosters frei über seine Stiftung verfügen, indem er sie nach seinem Belieben und zum Wohle der Gläubigen einem Priester oder einer Ordensgemeinschaft seiner Wahl überließ. Und das hat Boleslaus I. als Patronatsherr von Leubus getan. Er zwang die Benediktiner zur Abwanderung (wahrscheinlich gingen sie nach Lubin bei Posen) und übergab ihr Kloster den Zisterziensern von Pforta in Thüringen.

Dies ist die Frühgeschichte der Abtei, wie sie sich nach den mittelalterlichen Quellen und der lokalen Tradition herauskristallisiert.

Leubus entwickelte sich unter dem Einfluss der grauen Mönche von Citeaux zu einem Zentrum von überregionaler Ausstrahlungskraft. Aber wenn wir uns im Jahre 2000 an ein 825jäh¬ri-ges Jubiläum erinnern, handelt es sich nur um die offizielle Ein-führung der Zisterzienser, die Boleslaus I. mit der Fundationsurkunde von 1175 sanktionierte. Die Geschichte monastischen Lebens an der Oder reicht viel weiter zurück. Das Mönchtum Schlesiens verdankt seine Entstehung dem Herzog Kasimir, „dem Erneuerer“, wie ihn die polnische Geschichtsschreibung nennt, und das Jubiläum seines Beginns, das wir 2001 feiern dürfen, umfasst einen Zeitraum von 950 Jahren, eine Epoche, in der sich die polnischen Piasten durch eheliche Verbindungen mit den Ottonen, den Pfalzgrafen von Lothringen und Sulz-bach, den Andechs-Meraniern und den Hohenstaufen verbanden, um sich in die Gemeinschaft des christlichen Abendlandes einzugliedern.

Schon wenige Jahrzehnte nach dem Einzug der grauen Mönche besiedelte der Konvent von Leubus die Abteien Mogiła bei Krakau, Heinrichau bei Münsterberg, Kamenz bei Franken-stein, und im späten 13. Jahrhundert übertrug der Orden dem Abt die Paternität, d. h. die Visitation und den Vorsitz bei Abtswahlen, der Abtei Krone (Koronowo) bei Bromberg; außerdem war der Abt ordentlicher Visitator der Nonnen von Trebnitz und ihrer großpolnischen Tochterklöster Ołobók bei Kalisch und Owińsk bei Posen. Solange die zisterziensische Filiationsverfassung sich behaupten konnte, war Leubus der größte Filiationsverband in Ostmitteleuropa. Erst seit dem frühen 16. Jahrhundert, als der schlesische Visitator die Sprache der Mönche und Nonnen der polnischen Tochterklöster nicht mehr verstand und der König von Polen die Trennung der Klöster seines Landes von der Visitation ausländischer Oberer forderte, ging der Kontakt mit den polnischen Zisterzen verloren, und der Abt von Leubus musste sich mit der Paternität von Heinrichau, Kamenz und Trebnitz zufriedengeben.

Die Zisterzienser der Abtei an der Oder erfreuten sich von An-fang an eines unbegrenzten Vertrauens, das man ihnen in Schlesien und Polen entgegenbrachte, denn nationale Vorbe-halte spielten im Mittelalter fast keine Rolle; sie wurden erst im Verlauf der hussitischen Revolution und im späten 16. Jahr-hundert virulent, als die Töchter adliger Familien Polens Trebnitz als Erbteil ihrer Nation betrachteten und den Eintritt von Novizinnen deutscher Herkunft hartnäckig verhinderten.

Fürsten, Bischöfe, Adlige und Patrizier beschenkten Leubus seit seiner Gründung mit einer Fülle von Gütern, Zinsdörfern, Zehnten, Kirchpatronaten, Zöllen und reichdotierten Anniversarien. Herzog Heinrich I. übertrug ihm 200 Hufen Ödland im Lande Lebus, 500 Hufen im Bober-Katzbachgebirge, und der Herzog von Großpolen schenkte ihm ein Territorium von 5.000 Hufen bei Nakel an der Grenze zu Pommerellen. In Oberschlesien übernahm die Abtei Leubus schon 1201 das Gebiet von Jaroslaw, das man später Kasimir nannte. Mit jeder Schenkung von Ödland verband der fürstliche Stifter die Hoffnung, dass die Mönche dank ihrer Beziehungen zum Mutterkloster Pforta Kolonisten anwerben und die Wälder und Einöden besiedeln möchten. Aber damit haben sie die finanzielle Kraft des Klosters überfordert. Leubus gab den größten Teil seiner Schenkungen bald wieder auf und beschränkte sich auf die Besiedlung der 500 Hufen im Bober-Katzbachgebirge, der 200 Hufen im Lande Lebus, auf die Gründung von wenigen Dörfern deutschen Rechtes bei Crossen an der Oder und bei Kasimir in Oberschlesien. Und selbst diese zaghaften Ansätze kolonisatorischer Tätigkeit waren lange Zeit gefährdet, weil der Orden die Annahme von Schenkungen nur dann erlaubte, wenn das Kloster die Ländereien „mit eigener Hände Arbeit“, d. h. mit Hilfe von Laienbrüdern, Familiaren und Lohnarbeitern, bewirtschaften konnte. Erst 1208 stimmte das Generalkapitel dem Antrag zu, Ödlande auch gegen Zins auszusetzen.

Um die große Zahl der weit verstreuten Eigengüter zu verwalten, die Zinsen, Zehnten und Naturalabgaben einzuziehen, er-richteten die Äbte von Leubus Zentralgüter, an deren Spitze ein Mönch als Propst stand. So entstanden die Propsteien Kasimir bei Oberglogau, Müncheberg bei Frankfurt/Oder, Schlauphof bei Jauer, Neuhof bei Neumarkt, Günthersberg bei Crossen, Seitsch bei Guhrau und Heidersdorf bei Nimptsch. Das Kloster wurde reich; es erhielt eine Fülle von Einkünften, so dass der Verfasser der „Versus Lubenses“ im 14. Jahrhundert voll Stolz bekannte, „dass wir jetzt leben können, ohne arbeiten zu müssen“. Wie weit er sich von den Idealen der Gründungsväter von Citeaux entfernt hatte, ist ihm dabei nie bewusst geworden.

Der Reichtum, über den Leubus verfügte, veranlasste die Mönche, die erste, bescheidene Klosterkirche des späten 12. Jahrhunderts abzubrechen und sie, um mit den Bauunternehmungen des Tochterstiftes Heinrichau konkurrieren zu können, durch einen monumentalen gotischen Neubau mit Chorumgang und Umgangskapellen zu ersetzen. An ihrer Nordostecke errichtete Herzog Boleslaus von Liegnitz den eleganten Bau der trikonchialen Fürstenkapelle, die er zu seiner Grablege bestimmte. Um das Kloster gegen Überfälle zu schützen, umgab man es im 15. Jahrhundert mit einer Festungsmauer und mit Wehrtürmen.

Schenkungen und zweckgebundene Stiftungen des Patronats-herrn führten zur Gründung von Hospizien, in denen Leubus alleinstehende Männer patrizischer und geistlicher Herkunft als Pfründner aufnahm und sich gegen Überlassung ihres Erbteiles vertraglich verpflichtete, die Präbenden in die familia des Klosters aufzunehmen und sie bis zu ihrem Tode zu versorgen. Das war eine Form sozialer Fürsorge, die bei den Zisterziensern in der Blütezeit des Ordens gang und gäbe war und die sich nur wenige Mitglieder der mittelalterlichen Gesellschaft leisten konnten. Das Gros der Alten, Kranken und Arbeitsunfähigen verbrachte den Lebensabend in der Gemeinschaft der eigenen Familie. An den hohen kirchlichen Festtagen, am Grün-donnerstag und zur Kirchweih fanden sich Scharen von Bett-lern an der Klosterpforte ein, wo ihnen der Pfortenbruder eine Suppe und Brot, an manchen Tagen auch Schuhwerk und Kleidung austeilte. Es war üblich, die Mahlzeit eines verstorbenen Mönchs noch 30 Tage nach seinem Tode im Refektorium zu servieren und sie nach dem Dankgebet an die Pforte zu tragen, um einen Bettler zu beschenken, der sich dafür verpflichtete, für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten.

Diesen Aktivitäten sozialer Tätigkeit bereitete der Hussitenkrieg für lange Zeit ein Ende. Seit 1427 verwüsteten die Böhmen viele, links der Oder gelegene Güter, Zins- und Zehntdörfer der schlesischen Zisterzienser, und Leubus büßte einen großen Teil der Einkünfte ein, von deren Ertrag die Mönche einst gelebt hatten. 1432 überfielen die Hussiten die Abtei selbst, brannten die Kirche und die meisten Klostergebäude nieder und ließen nur noch Ruinen zurück. Der Konvent hatte sich nach Breslau und Günthersberg bei Crossen in Sicherheit gebracht.

Unter diesen Umständen war es nahezu unmöglich, die Regeln der monastischen Disziplin zu wahren. Um die zerstörten Gebäude wiederherzustellen, verkaufte man die Propstei und die Zinsdörfer bei Frankfurt/Oder, gab Günthersberg auf und über-ließ die meisten Stiftsdörfer im Bober-Katzbachgebirge adligen Aftervasallen, die sich zur Lehnshuldigung und zur Leistung einer geringen Abgabe verpflichteten. Dabei trat das Kloster dem Adel auch das Patronatsrecht der Pfarrkirchen ab, und das war ein verhängnisvoller Fehler, denn wenige Jahrzehnte später kannten die adligen Grundherren keine Bedenken, die Betreuung ihrer Parochien evangelischen Prädikanten anzuvertrauen und der Bevölkerung das reformatorische Bekenntnis zu verkünden, ohne dass das Stift den Konfessionswechsel seiner Untertanen verhindern konnte.

Aber Missstände der inneren Disziplin, unter denen Leubus im Zeitalter der Reformation litt, hatten sich als Folge der Hussitenkriege und der Zügellosigkeit der schlesischen Landesbeschädiger schon ein Jahrhundert früher angekündigt. Es dauerte 16 Jahre, bis der aus dem Exil zurückgekehrte Konvent bereit war, 1448 das reguläre Officium Divinum wieder aufzunehmen. Um die Mönche zu den Pflichten monastischen Lebens zurückzuführen, delegierte der Vaterabt von Pforta eine Gruppe thüringischer Ordensleute, ohne einen Erfolg zu erzielen, denn es kam in Leubus zu einem heftigen Streit zwischen den „deutschen“ und „polnischen“ Ordensleuten, zwischen Thüringern und Schlesiern, Reformfreunden und Reformgegnern. 1461 drohte das Generalkapitel dem Abt Petrus Warten-berg von Leubus sogar mit der Absetzung, weil er im Komplott mit einem Grüssauer Mönch Ordensgelder unterschlagen hatte.

Es scheint, dass es der Abtei Leubus seit der Mitte des 15. Jahr-hunderts nicht mehr gelang, das Dilemma zu überwinden, in das sie infolge der Reformation und des Unterganges des Mutterklosters Pforta geriet. Unter Berufung auf ihre Freiheitsrechte weigerten sich die schlesischen Zisterzienser, sich der Visitation des Breslauer Bischofs zu beugen, aber seit 1518 gab es auch keine andere Institution mehr, die über die Disziplin der Klöster wachen konnte.

Als der Herzog von Liegnitz und die Podiebrade von Münsterberg-Oels den Versuch unternahmen, Leubus und Heinrichau zu säkularisieren, nahm die habsburgische Krone die gefährdeten Abteien in ihren Schutz, doch um welchen Preis. Um den Krieg gegen die Türken zu finanzieren, mussten sie sich verschulden und Güter verpfänden, die sie später nur unter großen Opfern zurückgewinnen konnten. Im Jahre 1616 gelang es dem Abt Nicolas Boucherat II. von Citeaux, alle Zisterzen Schlesiens zu visitieren und zur Gemeinschaft des Ordens zu-rückzuführen. Im Februar 1616 versammelte er die Äbte des Königreiches Böhmen und seiner Nebenländer zu einem Provinzialkapitel in Prag. Er legte ihnen Statuten vor, wie sie sein Vorgänger schon im 16. Jahrhundert für die oberdeutsche Provinz verfasst hatte und konstituierte die Ordensprovinz Böhmen-Mähren-Schlesien-Lausitz, der er auch die oberschlesischen Klöster Rauden und Himmelwitz integrierte, die bisher der Aufsicht des Abtes von Jędrzejów bei Kielce unterworfen waren. Zum Vicarius Generalis der Provinz ernannte er den reformeifrigen Abt Georg Vrat von Königsaal, der die schlesischen Zisterzen noch 1628 visitierte.

Aber nach den schlimmen Erfahrungen der Hussitenkriege konnten die Schlesier niemals das Misstrauen überwinden, das sie gegen ihre böhmischen Ordensbrüder hegten. Sie opponierten gegen die Visitation des Abtes von Königsaal und weigerten sich hartnäckig, ihre Scholaren zum Studium am St. Bernhardskolleg in Prag zu delegieren, wobei ihnen der Dreißigjährige Krieg tausend Möglichkeiten der Entschuldigung bot. Um den Klagen ein Ende zu bereiten, trennte das Generalkapitel 1651 die schlesischen Zisterzen von Böhmen und anerkannte Schlesien als eigenständige Provinz.

Den Neubeginn, den Schlesien nach den verheerenden Verwüstungen des Krieges erlebte, verdankt Leubus der Tatkraft des Abtes Arnold Freiberger (1636-1672) und seiner Nachfolger. Freiberger stellte die Stiftskirche wieder her und passte sie in ihren Altären dem Charakter seiner Zeit an. Er ließ eine neue Wasserleitung anlegen, errichtete das Stiftsamt, Kanzlei und Schule und veränderte das Dormitorium in viele Einzelzellen.

1681 legte sein Nachfolger Johann Reich das Fundament zum Neubau der Prälatur. 1692 begann Abt Balthasar Nitsche den Bau des Quadrums, und um beide Bauten miteinander zu verbinden, entstand an der Westseite der mittelalterlichen Stiftskirche eine monumentale, von zwei Türmen flankierte Vorhalle, ein Bauwerk, dessen Westfassade 223 m misst und auf der Nordseite der Prälatur 118 m lang ist. Man sparte keine Mittel, um in der protestantischen Landschaft des Liegnitzer Landes, das seit dem Aussterben der Piasten im Jahre 1675 der habsburgischen Krone anheimgefallen war, den Sieg des katholischen Glaubens zu verkünden.

Nach der Säkularisation von 1810 nutzte der preußische Staat das Stift als Landesgestüt. Die Abteikirche überließ er den Katholiken von Leubus-Klosterplatz, die barocke St. Jakobuskirche wurde zur Parochialkirche der Evangelischen bestimmt. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts diente Leubus als Landes-heilanstalt. Im Zweiten Weltkrieg brachte man in den weitläufigen Gebäuden Tausende deutscher Umsiedler aus der Ukraine-ne und der Bukowina unter, und nach dem Ende des Krieges ließ sich die Rote Armee in Leubus nieder. Das Kloster war eine Dependenz des sowjetischen Oberkommandos West in Liegnitz. Die Stiftskirche stand leer, die polnischen Gläubigen mussten sich mit der St. Valentinskirche in Städtel-Leubus zufriedengeben.

Als die Rote Armee Leubus 1971 dem polnischen Staat über-ließ, befand sich das Stift in einem verheerenden Zustand. Das Mauerwerk der Gebäude war vom Ruin bedroht und musste mit Stahlklammern gesichert werden, um es vor dem Einsturz zu bewahren. Was konnte der verarmte polnische Staat in dieser fatalen Situation tun? Er hat das Mauerwerk gerettet, die Klostergebäude durch neue Dächer geschützt, den monumentalen Fürstensaal und das Refektorium der Mönche wiederhergestellt. Aber die Stiftskirche mit der Fürstenkapelle des frühen 14. Jahrhunderts, wo man die Piasten von Liegnitz bestattete, befindet sich immer noch in einem heillosen Zustand, genauso wie der größte Teil der Klostergebäude. Um dieses Kloster zu retten, kann sich der Denkmalschutz der Bundesrepublik Deutschland nicht leichten Herzens absolvieren, denn es geht um ein Monument jahrhundertelanger Tradition, für dessen Erhaltung wir Deutsche genauso verantwortlich sind wie der polnische Staat, der dieses schwierige Erbe von der sowjetischen Armee übernehmen musste.

  1. Grüger verstarb am 23.Mai 1999. Das Manuskript des Textes über Leubus vollendete er auf seinem letzten Krankenlager (ohne die folgenden Literaturangaben).

Lit.: Heinrich Grüger: Schlesisches Klosterbuch: Leubus. Zisterzienserabtei, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 22, 1981, S.3-32 (mit sehr ausführlicher Bibliographie). – Ders.: Schlesisches Klosterbuch: Der Orden der Zisterzienser in Schlesien (1175-1810), ebd. 23, 1982, S. 84-145.- Ewald Walter: Die Kirchen zum Hl. Jakobus und zum Hl. Kreuz (Heidenkirchlein) in Leubus und die Benediktiner, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 45, 1987, S. 37-58. – Ewa. Łužyniecka: Średnio wieczny kościół i klasztor cysterski w Lubiążu, in: Kwartalnik Architektury i Urbanistiki, 1988, H.2, S. 83-112. – Stephan Kaiser: Kloster Leubus, Regensburg 1996.

Bild: Kloster Leubus von Nordwesten, um 1900 / Quelle: Von Autor unbekannt Eduard van Delden (photo), E. Goetz Luzern (Verlag) – Zeno.org, ID-Nummer 20000632554, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18604133

Heinrich Grüger (†)