Ereignis vom 1. April 1902

Zoppot erhält Stadtrechte

Zoppot Kurhaus um 1900

Als dem Badeort Zoppot bei Danzig die Stadtrechte verliehen wurden, konnte die damalige Landgemeinde und ihre Umgebung bereits auf eine 4000jährige Besiedlungsgeschichte zurückblicken, 600 Jahre davon waren schriftlich belegt. In einer Urkunde vom 5. März 1283 schenkte der letzte Pomoranenherzog, Mestwin II., Zoppot und 14 weitere Dörfer dem in der Nähe liegenden Kloster Oliva als Ausgleich für diesem verloren gegangene Gebiete bei Mewe an der Weichsel. Bis 1807 blieb es Klosterdorf. Seine Geschichte ist eng verbunden mit der Danzigs und des übrigen Westpreußens und verläuft recht unauffällig bis auf einige besondere Ereignisse, die durch kriegerische Gewalt oder durch klug vorausschauende Planung Einzelner hervorgerufen wurden.

15 Bauernhöfe richtete das Kloster im Oberdorf Zoppot – die Strandregion war damals durch ausgedehnte Sümpfe noch nahezu unzugänglich – nach deutschem Recht ein und vergab sie zur Kolonisation des Landes an deutsche Bauern. So blieb der Ort für mehr als zwei Jahrhunderte ein abgeschiedenes Bauerndorf. Erst ab 1550 wurden weitblickende und wohlhabende Danziger Rats- und Kaufherren auch auf Zoppot aufmerksam: sie strebten aus der engen und stark befestigten Stadt wenigstens in den Sommermonaten hinaus in die ländliche Umgebung. Deshalb schlossen sie mit den Klosterbrüdern Erbzinsverträge zu beiderseitigem Nutzen, brachten schließlich sämtliche Höfe in ihren Besitz und gestalteten sie um zu prunkvollen Land- oder Lusthäusern. Zoppot wandelte sich zu einem parkartigen, ruhigen Villenvorort von Danzig.

Plünderungen und Brandschatzungen durch Kriegsereignisse setzten dem kleinen Ort mehrfach hart zu: in den schwedisch-polnischen Kriegen, in den Kämpfen um die polnische Königskrone 1696 auf Zoppoter Gebiet zwischen Kurfürst August dem Starken von Sachsen und dem Gegenkönig Prinz Franz Ludwig von Bourbon-Conti und im Nordischen Krieg zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Schließlich brannten polnische und russische Truppen, die Verbündeten August III. von Sachsen, in ihrem Kampf um den polnischen Thron mit Stanislaus Lesczynski, der von französischen Truppen unterstützt wurde, im Jahre 1734 den Ort völlig nieder. Die Danziger Patrizier besaßen nicht mehr die finanziellen Mittel, um ihre Landsitze wieder aufzubauen, und Zoppot blieb ein „totes Dörfchen“, bis gut 20 Jahre später schließlich polnische Edelleute die Höfe erwarben. Um 1800 befanden sich die Höfe wieder in deutschem Privatbesitz und in dem nun trockener gewordenen Unterdorf wurden einige Fischerfamilien angesiedelt. In den napoleonischen Kriegen wurde Zoppot grausam mißhandelt: 1806 wurde es durch die Franzosen, 1813 durch die Kosaken ausgeplündert und verarmte völlig.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde von England her das Baden in der freien See zur Mode. In Zoppot hatte sich nach dem Abzug der Franzosen der praktische Arzt Dr. Johann Georg Haffner niedergelassen, der mit den französischen Armeen aus Kolmar im Elsaß als Militärarzt nach Danzig gekommen war. Unter seiner weitsichtigen und tatkräftigen Führung wurde 1823 der Badeort Zoppot gegründet (s. OGT 1999, S. 412). Die einmalig schöne und geschützte Lage des Dorfes zwischen dem feinsandigen Strand an der Danziger Bucht im Osten und den landschaftlich überaus reizvollen Anhöhen des baltischen Höhenrückens im Westen sowie die Nähe der großen Stadt Danzig mit ihrem kulturellen Angebot waren sehr gute Voraussetzungen für das Aufblühen des neuen Badeortes. Es entstanden Kurhaus und Seesteg, Kalt- und Warmbad, Damen- und Herrenbad am Strand und eine Anzahl von Privatquartieren. Als 1870 die Pommersche Eisenbahn von Danzig über Zoppot nach Stettin und Berlin eröffnet wurde, stiegen Einwohnerzahl und die Zahl der Badegäste sprunghaft an. 1874 wurde ein neues Warmbad, 1881 ein neues Kurhaus eröffnet und 1901 wurde die „Sportwoche“ begründet, die vor allem mit den Sportarten Reiten, Tennis, Turnen und Schwimmen (Deutsche Meeresmeisterschaften) in den nächsten Jahrzehnten zu großer Bedeutung emporwuchs. Hatte Zoppot zur Zeit der Gründung des Badeortes erst 350 Einwohner, so waren es nun fast 10.000, so daß zur Bewältigung der damit verbundenen Verwaltungs- und Planungsgeschäfte am 31. Dezember 1899 ein Gemeinde-Ver­ord­ne­ter den Antrag stellte, für Zoppot die Stadtrechte zu beantragen. Am 9. August 1900 beschloß die Gemeinde-Vertretung einstimmig, den entsprechenden Antrag bei der Königlichen Staatsregierung zu stellen, der auch durch Allerhöchsten Erlaß vom 8. Oktober 1901 genehmigt wurde. Mit Wirkung vom 1. April 1902 war Zoppot die jüngste Stadt Westpreußens in den Grenzen des bisherigen Amtsbezirks nach der neuen Kreisordnung von 1874.

Diese Tatsache bedeutete nicht nur eine erhebliche Änderung in der Verwaltungsstruktur, sondern auch die Weichenstellung für eine rasante Entwicklung. Der bisherige Gemeinde- und Amts­vorsteher Dr. von Wurmb wurde zum Bürgermeister ge­wählt, ihm standen zunächst vier, später sechs Stadträte und mehrere Stadt­verordnete zur Seite. Eine „ästhetische Gesichtspunkte besonders betonende Bauordnung“ (1905/06) und ein Be­bau­ungsplan wurden aufgestellt und ein vorbildliches Wohnungs­bauprogramm durchgeführt, Wasserversorgung und Schmutz­­­­­was­serbeseitigung, Boden- und Siedlungspolitik verbessert. Zum Aufblühen der jungen Stadt trug die Erweiterung der Sport­woche ebenso bei wie der Bau vorbildlicher Sportplätze, des neuen Nordbades 1903 (es wurde ein Jahr später als erstes Fami­lienbad in Deutschland geöffnet!) mit der gegenüberliegenden Kunsthalle und des modernen Warmbades im Jahre 1904. Das dritte Kurhaus entstand in den Jahren 1910 bis 1912 mit der hohen Leuchtfontäne davor (1909). In einem Flü­gel des Kurhauses wurde 1920 das neue, internationale Gäste anziehende Spielkasino eingerichtet. Das neue Rathaus ent­stand, die Post, das Amtsgericht, zwei evangelische und eine katholische Kirche und mehrere Schulbauten. Am 15. November 1920 wurde Zoppot kreisfreie Stadt und am 21. Mai 1923 anläßlich der Jahrhundertfeier des Bades Zoppot wurde die Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ eingeführt. Die Begründung der idyllisch gelegenen Waldoper durch Bürgermei­ster Woldmann mit der ersten Aufführung am 11. August 1909 („Das Nachtlager in Granada“) erwies sich als Glücksgriff und führte mit einer hervorragenden Akustik und ihrer Erweiterung zur Wagnerfestspielstätte („nordisches Bayreuth“) auch zu internationalem künstlerische  m Ansehen des Seebades.

Wenn auch die Abtrennung Danzigs und damit Zoppots vom Deutschen Reich durch die Beschlüsse von Versailles, später die Inflation und die Weltwirtschaftskrise zunächst einen erheblichen wirtschaftlichen Rückgang bedeuteten, so gelang es der Stadt dennoch bald, an die Vorkriegstraditionen anzuknüpfen. Nach der Einführung (Oktober 1923) und der Stabilisierung der Guldenwährung in der Freien Stadt Danzig stieg die Einwohnerzahl Zoppots im Jahre 1929 auf 30.000, die der Badegäste auf fast 28.000 im Jahr. Der Bau des Kasinohotels (1927), dessen prunkvolle Ausstattung noch 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zu erkennen ist, und die Anlage des Großkurgartens (1928) mit den arkadenartigen Wandelgängen und dem längsten Seesteg Europas (Anlegestelle des „Seedienstes Ostpreußen“), die Anbindung an das internationale Flugnetz durch den Danziger Flughafen in Langfuhr sowie die steigende Beliebtheit der Sportwoche und vor allem der Waldoper mach­ten Zoppot zu einem herausragenden Anziehungspunkt für internationales Publikum und für Tagesgäste aus der Danziger Region – bis der Zweite Weltkrieg, die Besetzung durch Sowjets und Polen und die Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat 1945 dieser Entwicklung zunächst ein plötzliches Ende setzten.

Lit.: Johann Eduard Böttcher: Der Seebade-Ort Zoppot bei Dan­zig, Danzig 1842 (Nachdruck der Danziger Naturforschenden Gesellschaft, Lübeck 2002). – F. Schultz: Chronik der Stadt Seebad Zoppot. o.O. 1904 (Nachdruck des Vereins für Familien­forschung in Ost- und Westpreußen e.V., Hamburg 1976). – Ausstellungskatalog des Westpreußischen Landesmu­seums: Ostseebad Zoppot seit 90 Jahren Stadt, Münster-Wolbeck 1992.

Bild: Zoppot Kurhaus um 1900 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Hans-Jürgen Kämpfert (OGT 2002, 395)