Informations- und Begegnungstagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, im Rahmen des Projektes der Beratung ostdeutscher Heimatsammlungen in Haus Schlesien, Heisterbacherrott
Vor dem Hintergrund, dass derzeit in Deutschland mehrere Heimatstuben aus ehemals ostdeutschen Regionen eine ungewisse Zukunft haben und einige davon sogar in ihrer Existenz bedroht sind, hat die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen zu einer Informations- und Begegnungstagung ins Haus Schlesien von Königswinter eingeladen. Mehr als 50 Betreuerinnen und Betreuer von Heimatsammlungen nahmen an der zweitägigen Veranstaltung unter dem Motto „Wege der Erhaltung und Vermittlung wertvollen Kulturgutes“ teil.
Nicola Remig, die Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums Haus Schlesien, erinnerte in ihrer Ansprache daran, dass es bereits von 2010 bis 2012 in Königswinter ein Programm zur Zukunftsausrichtung der Heimatstuben gab, das sich allerdings auf schlesische Sammlungen konzentrierte. Die Bedeutung der Weiterexistenz und Zukunftsausrichtung der Heimatstuben aus allen Vertreibungsgebieten sowie die Unterstützung der Betreuer sind der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durchaus bewusst, so dass für dieses Jahr weitere Beratungsveranstaltungen genehmigt wurden. Das gemeinsam von der Kulturstiftung der Vertriebenen, Bonn und von Haus Schlesien betriebene Projekt bietet Informationen für die Betreuer der ostdeutschen Sammlungen unabhängig von deren Bezugsregion.
In seinem Grußwort stellte der Ehrenvorsitzende der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Hans-Günther Parplies fest, dass der rege Zuspruch der Tagungs-Teilnehmer einmal mehr zeige, dass Bedarf an Information, Beratung und Erfahrungsaustausch besteht. Es sei wichtig, so Parplies, dass die Heimatstuben-Betreuer erkennen, dass sie nicht als Einzelkämpfer da stehen. Sie befinden sich in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die sich um die Belange der Sammlungen mit ostdeutschem Kulturerbe bemühen.
Dr. Ernst Gierlich, Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, stellte die Thematik des aktuellen Projektes zur Beratung ostdeutscher Heimatsammlungen vor: „Es gilt, Geschichte und Kultur der alten Heimat zu erforschen, traditionelles Brauchtum zu dokumentieren oder auch zu pflegen, all dies an die übrigen Bewohner der neuen Heimat und nicht zuletzt an die jungen Generationen zu vermitteln.“
Die Tagung beantwortete Fragen rund um die nachhaltige Sicherung der Sammlungen möglichst an ihrem angestammten bzw. gegenwärtigen Standort, die als unverzichtbare Vermittlungsstätten deutscher Erinnerungskultur aufrecht erhalten bleiben sollen. Geboten wurden Informationen zu organisatorischen und rechtlichen Themen sowie praxisnahes Wissen zur Arbeit mit den Sammlungsstücken. Dokumentation, Inventarisierung, Archivierung, Präsentation, standen ebenso im Fokus wie auch sachgerechte Pflege und Lagerung der Kulturgüter. Ein ganz wichtiger Aspekt war die Möglichkeit für den gegenseitigen Austausch der Teilnehmer.
Initiativen zur Zukunftssicherung – „Die Frage, wie man das in vielen Jahrzehnten gesammelte Kulturgut nachhaltig sichern und weiter fruchtbar machen kann, erscheint derzeit“ – so Dr. Ernst Gierlich – „als eine der brennendsten Fragen der heutigen Heimatvertriebenen.“
Fest steht: Auch wenn für einige Sammlungen die Fortführung als eigenständige Einrichtung nicht mehr lange aufrecht zu erhalten ist, muss es Überlegungen und Konzepte für die Zukunft geben. So etwa könnte die Angliederung an ein örtliches bzw. regionales Museum oder Archiv, die Übernahme der Inhalte durch ein ostdeutsches Landesmuseum oder die Einlagerung der Bestände stattfinden. Da es kein allgemeingültiges „Patentrezept“ gibt, ist eine individuelle, konkret auf die Bedingungen der jeweiligen Sammlung zugeschnittene Beratung erforderlich. Bei der zweitägigen Tagung in Königswinter boten Experten aus verschiedenen sachrelevanten Bereichen Anregungen, Ideen und Tipps zur Erarbeitung tragfähiger Lösungen.
Ulrike Taenzer M.A. aus Vreden informierte in ihrem Beitrag über die Dokumentation ostdeutscher Heimatsammlungen und die umfangreiche, internetzugängliche Datenbank (www.bkge.de/heimatsammlungen). Anhand von Beispielen zeigte die Referentin Möglichkeiten auf, die zum einen auf Zukunftsorientierung setzen, zum anderen die geordnete Auflösung ostdeutscher Heimatstuben zum Thema hatten.
Über den Stellenwert der Heimatsammlungen im Rahmen der deutschen Erinnerungskultur sprach Dr. Idis B. Hartmann aus Oldenburg, wobei sie Ausstellungen am Museum Ostdeutsche Kulturgeschichte in Bad Zwischenahn hervorhob.
Josef Bögner aus Bad Oeynhausen stellte die Heimatstube Frankenstein/Schlesien in Rheda-Wiedenbrück vor.
Um das Thema „Digitalisierung von Bibliotheks- und Archivbeständen ostdeutscher Heimatsammlungen als zukunftsweisende Maßnahme“ ging es im Referat von Dr. Hans-Jakob Tebarth, Direktor der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne.
Unter dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“ informierten Dipl.-Geogr. Silke Findeisen vom Haus Schlesien Königswinter und Margarete Polok von der Düsseldorfer Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus über die sachgerechte Lagerung und Präsentation der Exponate aus den Heimat-Sammlungen. Um die Erinnerungsstücke, Kunstwerke, Alltagsgegenstände und Zeugnisse des Kunsthandwerkes für die nachfolgenden Generationen zu erhalten, bedarf es eines sachgerechten Umgangs mit dem Kulturgut. Silke Findeisen verwies auf einige der wichtigsten Regeln, die den unabdingbaren Verfallsprozess verlangsamen können. Margarete Polok wiederum brachte den Tagungsteilnehmern den Umgang mit der Museumssoftware „Adlib“ als ein günstiges Inventarisierungsprogramm näher.
Die Bonner Rechtsanwälte Klaus Gladischefski RA und Fritz Marx RA erörterten Fragen rund um „Möglichkeiten der rechtlichen Absicherung von Sammlungen“ sowie um „Rechtliche Regelungen im Ehrenamt.
Am 9. und 10. November 2016 hat eine weitere thematische Beratungstagung für Heimatstuben-Betreuer stattgefunden.
Dieter Göllner